Der Atomstreit mit Nordkorea eskaliert erneut: Das weithin isolierte Land hat am Mittwoch eigenen Angaben zufolge eine Wasserstoffbombe getestet. Der Test sei erfolgreich gewesen, hieß es in einer Erklärung im staatlichen Fernsehen. Es habe sich um eine "strategische Entscheidung" des Staatsführers Kim Jong-un gehandelt. Der UNO-Sicherheitsrat hat eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Das Gremium wird noch heute zusammentreten.

Handschriftliche Botschaft

"Lasst uns das Jahr 2016 mit dem aufregenden Geräusch unserer ersten Wasserstoffbombenexplosion beginnen, damit die ganze Welt aufschauen wird zu unserer sozialistischen, atomar bewaffneten Republik und der großartigen Arbeiterpartei Koreas", heißt es in einer handschriftlichen Botschaft neben Kims Unterschrift. Im nordkoreanischen Staatsfernsehen wurde der entsprechende schriftliche Befehl gezeigt. Unterdessen mehren sich die Zweifel, dass es sich um eine Wasserstoffbombe gehandelt haben soll.

Wie auch immer: Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kritisierte den mutmaßlichen Test scharf. Sollte sich der Atomwaffentest bestätigen, wäre diese Aktion ein "schwerer Bruch" von Nordkoreas internationalen Verpflichtungen gemäß UNO-Resolutionen und "eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit der gesamten nordostasiatischen Region", sagte Mogherini am Mittwoch.

Die EU-Außenbeauftragte kündigte Gespräche mit den Außenministern von Südkorea und Japan, Yun Byung-se und Fumio Kishida an. Die EU werde bei der anberaumten UNO-Dringlichkeitssitzung mitarbeiten, um den Atomtest zur Sprache zu bringen.

Chinesisches Außenamt tobt

Auch die Atommächte Frankreich und Großbritannien haben mit scharfer Kritik auf den jüngsten mutmaßlichen Test in Nordkorea reagiert. Dies sei "eine inakzeptable Verletzung von Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen", hieß es in einer am Mittwoch vom Elyseepalast in Paris verbreiteten Mitteilung.

Gleichzeitig forderte Frankreich eine deutliche Reaktion der internationalen Gemeinschaft, ohne dies näher zu beschreiben. Die britische Regierung nannte den mutmaßlichen Test eine Provokation. "Wenn die Berichte über den nordkoreanischen H-Bomben-Test wahr sind, ist das ein schwerer Bruch der Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats und eine Provokation, die ich ohne Einschränkung verurteilte", twitterte Außenminister Philip Hammond am Mittwoch von China aus.

Das früher sehr eng mit Nordkorea verbündete, zuletzt aber auf Distanz gegangene China ging unterdessen in seiner Kritik so weit, den nordkoranischen Botschafter ins Außenministerium in Peking zu zitieren.

Russland reagiert gelassen

Erste Reaktionen Russlands auf den jüngsten Nukleartest Nordkoreas fallen gelassen aus. "Eine direkte Bedrohung Russlands durch die Aktion Nordkoreas sehe ich nicht, wenn man unsere Beziehungen mit dem Land in Betracht zieht", sagte Generaloberst Viktor Jessin am Mittwoch in Moskau.

"Für die ganze Welt hingegen ist die Bedrohung real." Es gebe aber keine Beweise, dass es sich bei der von Nordkorea getesteten Waffe wie behauptet tatsächlich um eine Wasserstoffbombe handle, erklärte der Ex-Generalstabschef der strategischen Raketentruppen.

Der Dialog mit Nordkorea über sein Atomprogramm müsse fortgesetzt werden, sagte der Vorsitzende im Verteidigungsausschuss des Föderationsrates, Viktor Oserow. Dagegen könnte eine Verschärfung der Sanktionen Pjöngjang dazu treiben, noch mehr an seinen Atomwaffen zu arbeiten, sagte er der Agentur Interfax.

Neue Dimension

Sollten die Angaben Nordkoreas aber doch stimmen, hätte die Atomwaffenentwicklung des Landes eine neue Dimension erreicht. Zwischen 2006 und 2013 hatte Nordkorea drei herkömmliche Atomtests unternommen, auf die der UN-Sicherheitsrat jeweils mit neuen Strafmaßnahmen reagiert hatte.

Atombomben werden mit Plutonium oder Uran hergestellt. Bei einer Wasserstoffbombe verschmelzen unter anderem Deuterium und Tritium, schwere Isotope des Wasserstoffs, zu Helium. Ihre Sprengkraft ist um ein Vielfaches höher als die einer Atombombe. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hatte im vergangenen Monat angedeutet, sein Land besitze eine Wasserstoffbombe.

Spekulationen nach Beben

Ein leichtes Erdbeben am Mittwoch in der Nähe des Atomtestgeländes in Kilju im Nordosten Nordkoreas hatte im Ausland sofort Spekulationen um einen neuen Atomtest ausgelöst. Der Erdstoß erreichte nach unterschiedlichen Angaben von Erdbebeninformationszentren in Südkorea, China, den USA und Europa eine Stärke zwischen 4,9 und 5,2 auf der Richter-Skala.

Das Militär und der Geheimdienst in Südkorea zweifeln unterdessen stark an den Angaben Nordkoreas über den erstmaligen Test einer Wasserstoffbombe. Militärexperten halten es für unwahrscheinlich, dass Nordkorea eine voll entwickelte Wasserstoffbombe gezündet habe, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul am Mittwoch mitteilte. Die Stärke der Explosion in Nordkorea sei dafür zu schwach gewesen.

Formeller Kriegszustand

Zwischen dem kommunistischen Nordkorea und dem demokratischen Südkorea herrscht seit Jahrzehnten formell noch Kriegszustand. Ende November hatten beide Länder erklärt, einen neuen Anlauf zur Entspannung nehmen zu wollen.

Nach dem Test am Mittwoch hieß es im staatlichen Fernsehen, Nordkorea werde seine Atom-Kapazitäten weiter ausbauen. Solange die Rechte des Landes geachtet würden, würden aber keine Atomwaffen eingesetzt. Es gehe allein um Selbstverteidigung. Solange die USA ihre feindliche Politik gegenüber Nordkorea nicht aufgeben würden, werde das Land auch sein Atomprogramm nicht beenden. Nordkorea hatte bereits Mitte September angekündigt, sein Atomwaffen-Arsenal auszubauen.

An der Börse in Südkorea gaben die Kurse angesichts der Entwicklung nach. Nordkorea hat in der Vergangenheit bereits drei Atomtests durchgeführt, den bisher letzten im Jahr 2013. Die Vereinten Nationen haben wegen des Atom- und Raketenprogramms Sanktionen gegen das verarmte und abgeschottete Nordkorea verhängt.