Zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bekräftigte Außenminister Sebastian Kurz vor dem Treffen in Brüssel: "Es muss hier am Ende des Tages auf jeden Fall eine Volksabstimmung in Österreich geben. Ich glaube auch, dass wir noch lange nicht an einen solchen Punkt sind." Keinesfalls dürfe die EU jetzt bei der Kurdenproblematik und bei den Menschenrechten wegsehen.

Bei der Kooperation mit der Türkei müsse man "die Dinge beim Namen nennen: Es geht hier darum, die Flüchtlinge aufzuhalten", sagte Kurz. Alles andere wäre unehrlich gegenüber der EU-Bevölkerung und gegenüber den Flüchtlingen. "Wenn man bei den Flüchtlingen nach wie vor den Eindruck in Syrien und anderen Staaten erweckt, sie seien in Europa willkommen, sie den Schlepper bezahlen, sich auf den Weg machen, und dann von der Türkei gestoppt werden, dann kennen sie sich gar nicht mehr aus."

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sagte zur Türkei: "Der Pragmatismus ist nicht der schlechteste Ratgeber in den Beziehungen mit den Nachbarn." Die Türkei habe ein großes Interesse, mit der EU zusammenzuarbeiten. Die Situation sei günstig, bei den Beitrittsverhandlungen Fortschritte zu erzielen. Es gebe den Auftrag, Ergebnis-offene Verhandlungen zu führen.

Auf neue Verhandlungen mit der Türkei hatten sich die 28 EU-Staaten Ende November bei einem Sondergipfel verständigt. Hintergrund ist ein Aktionsplan, der eine bessere Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise garantieren soll. Die Regierung in Ankara hatte sich bei den Gesprächen verpflichtet, die türkischen Grenzen besser zu schützen. Als Gegenleistung sicherte die EU dem Land eine Ausweitung der Beitrittsverhandlungen und drei Milliarden Euro für Flüchtlingshilfe zu.

Die Türkei ist bereits seit 1999 Kandidat für einen EU-Beitritt, seit 2005 wird darüber verhandelt. Vor allem wegen der Frage der Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern durch Ankara lagen die Beitrittsgespräche aber seit Jahren de facto auf Eis.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn begrüßte unterdessen die Eröffnung der ersten konkreten Verhandlungskapitel in den EU-Beitrittsgesprächen mit Serbien. Dies sei "ein guter Tag für die friedvolle Entwicklung in unserer Nachbarschaft", sagte Hahn am Montag in Brüssel. Ähnlich äußerte sich Kurz. "Serbien hat sich das verdient", sagte er.

Bei den zwei Kapiteln, die am Abend im Rahmen einer EU-Beitrittskonferenz eröffnet werden handelt es sich um die Bereiche 32 (Finanzkontrolle) und 35 (Sonstiges), wobei letzteres die schwierige Frage der Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und dem Kosovo umfasst. "Die Europäische Union ist ja nicht mehr bereit, ein Mitglied aufzunehmen, wo es irgendwelche Grenzprobleme oder Probleme mit dem Nachbarn gibt", stellte Hahn klar.

"Aber wir stehen am Beginn dieser Verhandlungen", erklärte der Kommissar weiter. "Das ist ein mehrjähriger Prozess. Da ist noch viel Zeit, es fließt noch viel Wasser die Donau hinunter", so der EU-Kommissar. Er erwarte jedenfalls keine endgültige Lösung in den kommenden Monaten. Wichtig sei, dass der Dialog zwischen Belgrad und Prishtina fortgesetzt werde.

Bereits die Ankündigung von Beitrittsverhandlungen habe unter Investoren außerhalb Europas, etwa aus Südkorea, das Interesse an Serbien vergrößert, sagte Hahn. "Das Risiko zu investieren ist viel geringer." Zielsetzung der Beitrittsverhandlungen sei es, die Situation in der Nachbarschaft zu stabilisieren, und eine wirtschaftlich positive Entwicklung. Dazu seien die Gespräche eine geeignete Maßnahme.

"Gott sei Dank" würden die Kapitel mit Serbien eröffnet, sagte Kurz. Dieser Schritt sei absolut notwendig und richtig. Ministerpräsident Aleksandar Vucic habe "das Land auf einen guten Weg gebracht". Er habe einige sehr unangenehme Reformen durchgeführt. Vucic helfe mit bei Stabilität in der Region und nehme eine sehr konstruktive Rolle ein. Kurz: "Wir müssen ein Interesse an der Kapiteleröffnung haben." Österreich habe diese Position schon vor Monaten vertreten.

Bei dem eigentlichen Außenministertreffen stehen unter anderem Gespräche über die Lage im Irak und in Syrien auf der Tagesordnung. Zudem wird der neue deutsche UNO-Sondergesandte Martin Kobler über seine Bemühungen für eine Lösung des Konflikts in Libyen berichten.