Mit lang anhaltendem Beifall, mit Standing Ovations und Bravo-Rufen wurde die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe empfangen. Merkel hat auf dem Parteitag ihrer Regierungspartei die Entscheidung verteidigt, im September Tausende in Ungarn gestrandete Flüchtlinge ins Land zu lassen. "Das war nicht mehr und nicht weniger als ein humanitärer Imperativ", sagte die Parteichefin am Montag in Karlsruhe.

In der Nacht, als die deutsche Bundesregierung diese Entscheidung getroffen habe, sei "wie im Brennglas" deutlich geworden, dass die Welt und Europa es "mit der größten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg" zu tun hätten. Was weit weg schien, komme nun "buchstäblich vor unsere Haustür", sagte Merkel etwa mit Blick auf die Krise in Syrien oder auf die Terrormiliz IS.

Die Rede der deutschen Kanzlerin auf dem CDU-Parteitag war mit Spannung erwartet worden. Merkel war zuletzt aus der eigenen Partei für ihren Kurs in der Flüchtlingskrise mehrfach kritisiert worden.

Europa sei "in seinem Innersten herausgefordert", sagte die Parteivorsitzende, die in ihrer Ansprache mehrfach von langem Applaus der Delegierten unterbrochen wurde. "Das ist eine historische Bewährungsprobe für Europa, ich möchte, dass Europa diese Bewährungsprobe besteht."

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre CDU mit einem Appell zu mehr Mut und Selbstbewusstsein auf ihren Kurs in der Flüchtlingskrise eingeschworen. Sie verteidigte ihren Satz "Wir schaffen das": "Ich kann das sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört, Größtes zu leisten."

Deutschland könne trotz des Ansturms von Hunderttausenden Schutzsuchenden seine Grenzen nicht schließen, sagte Merkel. "Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option." Deutschland müsse ein weltoffenes und vielfältiges Land bleiben.

Optimismus und Zuversicht seien in Deutschland immer gepaart mit Vorsicht und einem Bewusstsein für Risiken. "Wir sind nie blauäugig. Doch genauso lassen wir es nie zu, dass Ängstlichkeit und Pessimismus uns am erfolgreichen Handeln für die Zukunft hindert."

Sie verwies auf den deutschen Altkanzler Helmut Kohl, der den Ostdeutschen einst "blühende Landschaften" versprochen hatte. Kohl habe recht behalten. "Im 25. Jahr der Deutschen Einheit können wir sagen, wir haben blühende Landschaften", sagte die CDU-Vorsitzende.

Zum Auftakt was Schönes: Merkel erhält von Guido Wolf einen Plüsch-Wolf
Zum Auftakt was Schönes: Merkel erhält von Guido Wolf einen Plüsch-Wolf © APA/AFP/THOMAS KIENZLE

Guido Wolf, CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2016 in Baden Württemberg, überreichte Merkel einen Plüsch-Wolf.

Vitali Klitschko, Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, ist Gast auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe
Vitali Klitschko, Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, ist Gast auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe © APA/AFP/THOMAS KIENZLE

Die knapp tausend Delegierten stimmten mit wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen dem Antrag der Parteispitze zur Flüchtlings- und Asylpolitik zu. Die Parteibasis stellte sich damit am Montag hinter den Kurs von CDU-Chefin Angela Merkel.

In dem Antrag der Parteispitze heißt es: "Wir sind entschlossen, den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern. Denn ein Andauern des aktuellen Zuzugs würde Staat und Gesellschaft, auch in einem Land wie
Deutschland, auf Dauer überfordern." Zudem ist in dem Antrag eine Passage enthalten, wonach die nationalen Grenzkontrollen gegebenenfalls intensiviert werden könnten.

Es ist wohl der schwierigste Parteitag der letzten Jahre für Angela Merkel. Wegen ihrer Flüchtlingspolitik schlägt der deutschen Kanzlerin nicht nur vom bayrischen Koalitionspartner CSU, sondern auch innerparteilich ein immer rauerer Wind entgegen. Innerhalb der CDU mehren sich die Stimmen für einen Kurswechsel, verbunden mit dem Ruf nach Obergrenzen für Flüchtlinge.

Ihre Kritiker wollen sie zwar auch mangels personeller Alternative als Kanzlerin und Parteichefin nicht stürzen - aber irgendein deutliches Signal der Begrenzung verlangen sie schon.