Das tunesische Quartett für den nationalen Dialog hat am Donnerstag in Norwegens Hauptstadt Oslo den Friedensnobelpreis entgegengenommen. Der Verbund aus vier Organisationen - Gewerkschaftsverband, Arbeitgeberverband, Menschenrechtsliga und Anwaltskammer - wurde für seinen gemeinsamen Einsatz für Demokratie in dem nordafrikanischen Land geehrt.

Demokratischer Übergang

Das Dialog-Quartett hat das nordafrikanische Land nach den Umbrüchen des Arabischen Frühlings vor dem Chaos bewahrt. Zum Zeitpunkt seiner Gründung vor zwei Jahren war ein friedlicher, demokratischer Übergang in Tunesien alles andere als sicher. Das Land war politisch gelähmt, Islamisten und ihre Gegner machten mobil, zwei prominente Oppositionelle wurden erschossen. In dieser Lage, die in einem Bürgerkrieg hätte münden können, stellte sich die mitgliederstarke Gewerkschaft UGTT an die Spitze einer Bewegung für den Dialog.

Die UGTT gründete im Sommer 2013 zusammen mit dem Arbeitgeberverband UTICA, der Menschenrechtsliga LTDH und der tunesischen Anwaltskammer ein Quartett, um die gesamte politische Klasse zum Dialog und zum Kompromiss zu zwingen. Denn nach dem Sturz von Machthaber Zine El Abidine Ben Ali wurden in dem Ursprungsland des Arabischen Frühlings zwar im Oktober 2011 die Islamisten von der Partei Ennahda an die Regierung gewählt. Doch sie fanden keinesfalls einhellige Unterstützung, und ihre politischen Gegner boykottierten die Arbeit an einer Verfassung und organisierten Massendemonstrationen.

Hommage an die Märtyrer Tunesiens

Die Gewerkschaft UGTT mit ihrer halben Million Mitglieder, die in Tunesien seit Jahrzehnten historisch verwurzelt ist, war auch unter Machthaber Ben Ali die einzige zivile Kraft mit landesweiter Unterstützung geblieben. Angesichts der Blockade-Situation im Jahr 2013 gelang es ihr, die Politiker zu einem Marathon-Nationaldialog zu zwingen. Schirmherr war UGTT-Generalsekretär Houcine Abassi, der die Auszeichnung mit dem Nobelpreis eine "Hommage an die Märtyrer des demokratischen Tunesiens" nannte.

Dank des Dialog-Quartetts wurde für Tunesien eine Verfassung erarbeitet, die islamische Tradition mit säkularen Grundsätzen verbindet. Im Jänner 2014, drei Jahre nach der Revolution, wurde sie angenommen. Dies öffnete den Weg für die letzte Phase des Übergangs.

Das Quartett hatte seine Aufgabe erfüllt

Die islamistische Ennahda-Regierung trat zurück, um einem Kabinett aus Unabhängigen die Aufgabe zu überlassen, Tunesien bis zu Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu führen. Ohne größere Zusammenstöße fanden die Wahlen Ende 2014 statt, welche die anti-islamistische Partei Nidaa Tounes des 88-jährigen, heutigen Präsidenten Beji Caid Essebsi gewann. Mit Ennahda ging seine Partei danach eine Regierungskoalition ein.

Das Dialog-Quartett hatte seine Aufgabe erfüllt, seit Anfang 2015 ist es de facto nicht mehr aktiv. Allerdings sieht sich Tunesien unter seinem Ministerpräsidenten Habib Essid nach wie vor mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert: Neben der lahmenden Wirtschaft ist dies vor allem die wachsende Bedrohung durch gewaltbereite Islamisten. In diesem Jahr erschütterten zwei fürchterliche Anschläge das Land, im März wurden im Bardo-Museum in Tunis 22 Menschen von Islamisten getötet und Ende Juni in der Nähe des Badeorts Sousse 38 Menschen, darunter 30 Briten.