Die Anschläge von Paris haben es Saudi-Arabien vor Augen geführt: Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) wird zu einem Problem für die gesamte Welt und zunehmend auch für das Königshaus der Sauds in Riad. Und die Saudis selbst sind nicht unschuldig daran. Der Golfstaat gehört zwar zu den Verbündeten der US-geführten Allianz, die gegen den IS in Syrien und im Irak kämpft, doch noch immer wird das Land auch mit massiver Finanzhilfe für die Terroristenorganisation in Verbindung gebracht. Vermögende saudische Privatleute und sunnitische Stiftungen unterstützen jihadistische Gruppierungen in Syrien, die Präsident Bashar al-Assad stürzen wollen, der wiederum vom schiitischen Erzfeind Iran gestützt wird.

Hauptantrieb ist für die Saudis dabei weniger das Schicksal von Assad als vielmehr das Kalkül, mit einem Machthaber-Sturz der gefürchteten Vorherrschaft des Iran einen Dämpfer erteilen zu können und so auch die schiitische Minderheit im eigenen Land in Schach zu halten. Das Kalkül ist allerdings nach hinten losgegangen. Der IS ist durch die zahlreichen Anschläge auf saudischem Boden zunehmend zu einer Bedrohung für die innere Verfassung der Golfmonarchie geworden. Und mit dem Atomdeal von Wien ist der Iran in die Rehabilitationsabteilung der Weltgemeinschaft aufgenommen worden und entwickelt sich gerade zu einem Schlüsselspieler bei der Lösung des Syrien-Krieges.

Grundsatzfrage

Deshalb ringt Riad just um eine eindeutige Haltung zu den Jihadisten, die in ihrer Auslegung des Islam dem strengislamischen Wahabismus der Saudis in vielen Punkten nicht unähnlich sind. Denn die Richtungsänderung könnte einer Grundsatzentscheidung gleichkommen. Unterbindet man die Unterstützung für die Anti-Assad-Gruppen, stärkt man auf Umwegen den Iran, schwächt aber den IS. Lässt man alles so weiter laufen wie bisher, muss das Königshaus mit dem eigenen Machtverlust rechnen. In den Ländern der Golfregion wird die Zulassung von privaten Geldströmen durchaus als Signal der Duldung verstanden, heißt es aus diplomatischen Quellen.

Eine Testaufgabe für die Glaubwürdigkeit haben die Regenten von der arabischen Halbinsel vor zwei Wochen von den Syrien-Gesprächen aus Wien mit nach Riad genommen. Sie sollen die Terrorgruppen unter den Oppositionellen in Syrien identifizieren und benennen. Da der Iran und auch Russland als Assad-Unterstützer für diese Aufgabe naturgemäß weniger in Frage kommen und sich der Westen wiederum schwertut, ist den Saudis die Rolle zugefallen, Gut und Böse unter den Gruppen auszumachen, die sie bislang passiv oder aktiv unterstützt haben.

Kurz spricht über IS und Flüchtlinge

Ein Zwischenstand dieser Identifizierung wird auch Thema beim ersten Besuch von Außenminister Sebastian Kurz in Saudi-Arabien sein. Es steht neben dem Kampf gegen den IS, der Flüchtlingskrise und dem Thema Menschenrechte ganz oben auf der Agenda, wenn der Österreicher heute seinen Amtskollegen Adel Al-Jubeir in Riad trifft. Dem Golfstaat rechnet Kurz dabei eine Schlüsselposition im Syrien-Konflikt und im Kampf gegen den IS zu. Ein Besuch in Riad sei ihm in der heiklen Situation nach den Pariser Anschlägen schon deshalb wichtig, „weil Saudi-Arabien einer der wichtigsten Spieler in einer Region ist, die zu den konfliktreichsten der Welt zählt“. Und diese Konflikte hätten „eine unmittelbare Auswirkung auf uns“, wie der jüngste Terror ebenso zeige wie auch die Flüchtlingskrise, sagte Kurz am Mittwochabend auf dem Weg in die saudische Hauptstadt. Wohl wissend, dass jeder Besuch bei den Saudis schon wegen der massiven Missachtung von Menschenrechten im Königreich ein heikler ist und somit auch nicht unumstritten. Es gäbe „absolute Differenzen bei der Auffassung“ in dieser Frage, sagte Kurz.

Der ÖVP-Politiker, der Al-Jubeir zuletzt zweimal in New York getroffen hat, werde jedenfalls auch bei seinem Amtskollegen das Angebot erneuern, dass Wien als Ort für Syrien-Verhandlungen weiterhin zur Verfügung stehe. Ziel müsse „ein rasches Ende der Gewalt und die Einleitung eines politischen Übergangsprozesses in Syrien sein, damit weniger Menschen aus Syrien flüchten müssen“, betont Kurz. Dafür müsse Saudi-Arabien und auch andere regionale Spieler beiden Syrien-Verhandlungen am Tisch sitzen. „Es braucht einen engen Schulterschluss der zivilisierten Welt gegen die ISIS-Barbaren, die eine Bedrohung der internationalen Staatengemeinschaft darstellen“, so Kurz.

Von Ingo Hasewend, Riad