Wie Dominosteine fallen die Reiseländer am Mittelmeer dem Terror des selbsternannten Kalifats zum Opfer. Nach Tunesien und Ägypten soll nun auch der türkische Tourismus ins Kreuzfeuer der IS-Jihadisten geraten sein.

Wie jetzt bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Ankara im Zuge des G-20-Gipfels der Polizei in Antalya am 17. Oktober eine Warnung zukommen lassen, dass der Islamische Staat (IS) Anschläge plane. Die Informationen stammen von Computerdaten, die bei der Aushebung einer türkischen IS-Terroristenzelle in Gaziantep sichergestellt wurden.

"Weiche Ziele" in Istanbul

Auf der Attentatsliste der Terrormiliz sollen auch zahlreiche "weiche" Ziele gestanden sein, etwa Sehenswürdigkeiten in Istanbul, Nachtclubs in Antalya oder Vergnügungsstätten in Izmir, berichtete die Zeitung "Cumhuriyet" mit Verweis auf Sicherheitskreise.

Für das Urlaubsland Türkei sind solche Nachrichten Gift. Mittlerweile ist neben "Sonne, Sand und Meer" die Sicherheit zum vierten wesentlichen Wettbewerbsfaktor aufgestiegen. Der gerät in der Türkei immer mehr in Schieflage. Kulturreisen sind nach Aussage des ehemaligen Obmanns des türkischen Hoteliersverbandes TÜROFED, Bahattin Yücel, völlig zum Erliegen gekommen. Osman Ayik, Yücels Nachfolger beim Hoteliersverband, glaubt dennoch, dass die Tourismuszahlen im kommenden Jahr wieder steigen werden, sollten "terroristische Vorfälle nicht größere Ausmaße annehmen".

Unsicheres Land

Bereits im Mai hat das World Economic Forum (WEF) die Türkei in ihrem Tourismusreport 2015 beim Faktor Sicherheit auf Rang 121 von 141 Ländern eingestuft. Mittlerweile hat sich die Sicherheitslage im Land weiter verschlechtert.

Seit dem im Frühjahr veröffentlichten WEF-Bericht ist die Türkei durch zwei Parlamentswahlen gegangen. Nach der Aufkündigung des Waffenstillstands mit den Kurden sind die Kämpfe zwischen der Armee, Spezialeinheiten der Polizei und der Rebellenorganisation PKK im Sommer wieder voll entbrannt. Im Südosten der Türkei herrscht seit Monaten in vielen Landesteilen Ausnahmezustand. Zudem erlebte die Türkei im Juli und Oktober in der Grenzregion Suruc und in der Hauptstadt Ankara zwei verheerende Selbstmordanschäge, die auf das Konto der Terrormiliz IS gehen. Mit einer Opferbilanz von fast 140 Toten waren sie die schlimmsten terroristischen Anschläge der letzten Jahre.

Leichter Touristenrückgang

Von Jänner bis Ende Juli verzeichnete die Türkei mit rund 20,4 Millionen ausländischen Gästen leichte Rückgänge gegenüber dem Vorjahr. Auch in den Sommermonaten August und September setzte sich der Negativtrend fort. Bei den Tourismuseinkünften lagen die Einbußen allein im dritten Quartal bei 4,4 Prozent, berichtete das türkische Statistikamt Ende Oktober. Führende Branchenvertreter rechnen für das Gesamtjahr mit einem Minus von zehn mit elf Milliarden Dollar (bis zu 10,3 Mrd. Euro).

Nicht nur aufgrund der Sicherheitslage, sondern auch durch die russische Wirtschaftsflaute hat der türkische Tourismus 2015 schwer gelitten. Mehr als eine Million Russen blieben heuer weg. Die türkischen Touristiker hoffen nun, dass die Russen ihren Winterurlaub an der türkischen Südküste verbringen werden.

Angst nach Bombe in Sinai

Nach dem Bombenattentat auf den russischen Ferienflieger auf der Sinaihalbinsel wurden alle Russland-Flüge nach Ägypten gestoppt. Geschätzte 50.000 bis 100.000 Russen sollen auf andere Destinationen umgeleitet werden. Aber die Hoffnung der Türken könnte sich als trügerisch erweisen.

Der Vize-Chef des russischen Reiseveranstalterverbands ATOR, Dmitri Gorin, erklärte gegenüber dem russischen Nachrichtenportal Sputniknews, "die Türkei ist im Vergleich zu Ägypten um 30 Prozent teurer". Ägypten sei die günstigste Route für die Russen gewesen. Zudem sei die Kälte ein Faktor, der gegen die Türkei arbeite. Zwei Drittel der Russen würden die Wiederaufnahme der Flüge nach Ägypten abwarten, so Gorin.