Mehr als 30 Millionen Menschen in dem südostasiatischen Land waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Ein Mitarbeiter der Wahlkommission gab die Beteiligung nach Schließung der Wahllokale mit "rund 80 Prozent" an. Erste Ergebnisse sollen frühestens am Montag vorliegen. Das Staatsfernsehen zeigte die Stimmenauszählung live. Reporter hofften auf Trendmeldungen durch Wählerbefragung nach Stimmabgabe im Laufe des Abends.

Bei der Wahl entscheidet sich, ob das Land nach mehr als 50 Jahren die Dominanz des Militärs in der Politik abschütteln kann. Rund 10.000 Beobachter befanden sich in dem Land, um den Ablauf zu prüfen. Tausende Kandidaten von insgesamt 91 Parteien stellten sich in den Parlaments- und Regionalwahlen.

Bereits vor Tagesanbruch warteten die Menschen in Rangun in langen Schlangen vor den Wahllokalen. "Ich habe für diejenige gestimmt, die das Volk regieren sehen will", sagte der 74-jährige Myint Aung. "Wir wollen, dass sich das System ändert", sagte der pensionierte Hochschullehrer Khin Myint Myint.

Auch Suu Kyi kam - landestypisch gekleidet und mit den zu einem ihrer Erkennungszeichen gewordenen Blumen im Haar - am Vormittag in ein Wahllokal in Rangun und wurde von Journalisten umringt. Im Hof des Wahllokals riefen ihre Anhänger "Sieg, Sieg".

Suu Kyi hofft, durch einen Sieg ihrer NLD den demokratischen Neubeginn in Myanmar besiegeln zu können. Die Partei hatte bereits 1990 die Parlamentswahl deutlich gewonnen, das Militär weigerte sich aber, das Ergebnis anzuerkennen.

Vor vier Jahren wurde die Militärherrschaft beendet und die Macht an eine formal zivile Regierung unter dem ehemaligen Junta-Führer General Thein Sein übertragen. Mit Hochspannung wird nun darauf geblickt, ob das Militär im Falle seiner Wahlniederlage tatsächlich die Macht an eine demokratisch gewählte Regierung abtritt.

Thein Sein gab in der Hauptstadt Naypyidaw seine Stimme ab. Im Vorfeld hatte er zugesichert, den Wahlausgang anzuerkennen. "Aber das heißt nicht, dass auch die Leute hinter ihm dem folgen werden", mahnte Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Im Parlament ist gemäß der Verfassung ein Viertel der Mandate nominierten Militärs vorbehalten. Daher benötigt die von der Armee unterstützte Regierungspartei Union der Solidarität und Entwicklung (USDP) nur rund ein Drittel der Mandate, um gemeinsam mit den Militärs eine Mehrheit zu haben. Das Militär hat auch sichergestellt, dass es Zugang zu Schlüsselpositionen in Ministerien besitzt und über entsprechende Holdinggesellschaften Einfluss auf die Wirtschaft nehmen kann.

Die Wahl dürfte dennoch zu einer entscheidenden Weichenstellung für die Zukunft des Landes werden. Das neue Parlament wird Anfang kommenden Jahres auch einen neuen Präsidenten bestimmen. Suu Kyi darf gemäß der vom Militär ausgearbeiteten Verfassung nicht für das höchste Staatsamt kandidieren, weil ihre direkten Angehörigen eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Doch will die 70-Jährige die Regierung anführen und nur einen Staatschef akzeptieren, der "in Übereinstimmung mit der Politik der NLD arbeitet", wie sie kürzlich klarstellte.

Sollte es letztlich doch zu einem knappen Ergebnis zwischen der NLD und der militärnahen Regierungspartei USDP kommen, könnten die kleinen Parteien in die Rolle der Königsmacher rutschen. Viele von ihnen vertreten ethnische Minderheiten. Immer wieder kommt es in Myanmar zu religiös motivierten Zusammenstößen zwischen Buddhisten und Muslimen. In dem Land leben etwa 1,1 Millionen muslimische Rohingya. Die meisten sind staatenlos und waren von den Parlamentswahlen ausgeschlossen.

Im Vorfeld des Urnengangs gab es Sorge vor Ungereimtheiten bei der Wahl. Ausländische Beobachter kritisierten insbesondere, dass sie die im Vorhinein erfolgte Stimmabgabe der bis zu 500.000 Militärangehörigen nicht kontrollieren konnten. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, der die Mission der europäischen Wahlbeobachter anführt, erklärte am Sonntag, während der Stimmabgabe habe es keine Hinweise auf Wahlbetrug gegeben. Manipulationen seien aber noch bei Transport und Auszählung der Stimmzettel möglich.