Im Falle eines Sieges ihrer Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) werde sie der Regierung vorstehen und vom Staatschef erwarten, dass er der Regierungslinie folgt, sagte Suu Kyi am Donnerstag vor Journalisten. "Ich werde die Regierung anführen, und wir werden einen Staatschef haben, der in Übereinstimmung mit der Politik der NLD arbeitet."

Ihr selbst ist das höchste Staatsamt verwehrt: Gemäß der vom Militär ausgearbeiteten Verfassung darf sie nicht für das Präsidentenamt kandidieren, da ihre direkten Angehörigen eine ausländische Staatsbürgerschaft haben.

Suu Kyis 1999 gestorbener Ehemann war Brite, und auch ihre beiden Söhne haben die britische Staatsangehörigkeit. Das neue Staatsoberhaupt wird Anfang 2016 vom Parlament gewählt; dort sind dem Militär gemäß Verfassung ein Viertel der Mandate sicher.

Große Hoffnungen

Bei der Wahl am Sonntag tritt die NLD erstmals landesweit an und kann mit hohen Stimmanteilen rechnen. Suu Kyi zeigte sich in ihrer letzten Pressekonferenz vor der Wahl siegesgewiss. Der Sieg ihrer Partei werde "einen großen Sprung auf dem Weg zur Demokratie" in Myanmar markieren, sagte sie.

Auf die Frage von Reportern bezüglich der in Myanmar verfolgten muslimischen Minderheit der Rohingya im Bundesstaat Rakhine meinte Suu Kyi, man solle die Probleme des Landes nicht "übertreiben". Ganz Myanmar befinde sich vor den Wahlen in einer "dramatischen Situation", nicht nur Rakhine.

Die politischen Aktivitäten der radikalen Buddhistenbewegung Ma Ba Tha, die eine Reihe von anti-muslimischen Gesetzen einführen will, nannte die NLD-Chefin verfassungswidrig.

Reformprozess

Vor fünf Jahren hatte die Militärjunta, die Jahrzehnte in dem südostasiatischen Land herrschte, einen politischen Reformprozess eingeleitet: Die Macht wurde an eine formal zivile Regierung unter dem früheren General Thein Sein übertragen, der die Zensur lockerte, politische Gefangene freiließ und die NLD wieder zu Wahlen zuließ.

Die 70-jährige Suu Kyi, die wegen ihres politischen Engagements jahrelang inhaftiert war oder unter Hausarrest stand, wurde für ihren Kampf für Freiheit und Demokratie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Nach ihrer Freilassung schaffte Suu Kyi vor dreieinhalb Jahren den Einzug ins Parlament.