Der Papst reagierte am zweiten Tag der Familiensynode auf die Beschwerde, da wusste die Welt noch gar nichts von dem Brandbrief, der nun bekannt wurde. Die Synode dürfe sich nicht auf ein Thema beschränken lassen, wie etwa den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Und an der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie werde nicht gerüttelt, berichtet das deutsche Magazin "Spiegel Online".

Tags zuvor hatte er wohl das Schreiben erhalten, das nun die italienische Zeitung "L'Espresso" veröffentlich hat. Erzbischöfe aus Kanada, den USA, Australien, Afrika sollen es verfasst haben, darunter auch der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, Chef der mächtigen Glaubenskongregation in Rom. Manche der Mitunterzeichner distanzierten sich sofort, als der Brief an den Papst bekannt wurde. Andere klagten über "ein neues Vatileaks" - wie Müller.

Würde von Ehe und Familie stärken

Man wolle dem Papst Sorgen von Teilnehmern der Synode näherbringen, die man gehört habe und teile. Es bestehe die Sorge, dass die Synode vom "theologisch/doktrinalen Problem" der Teilhabe an den Sakramenten für Katholiken in zweiter Ehe "dominiert werden könnte". Obwohl die Synode doch dafür gedacht sei, sich "einer lebenswichtigen pastoralen Frage zu stellen": "die Würde von Ehe und Familie zu verstärken".

Wenn es so komme wie befürchtet, rutsche man immer tiefer ins Dilemma, die Kirche müsse "das Wort Gottes und seine Lehre" ständig an den "kulturellen Veränderungen ausrichten". Man brauche ja nur die protestantischen Kirchen anzuschauen, um zu sehen, wohin das führe. Deshalb raten die Briefschreiber zu "großer Vorsicht bei unseren synodalen Diskussionen".

Rührt die alte Lehre nicht an!

Schon lange vor der Familiensynode, der Versammlung von Bischöfen aus aller Welt im katholischen Kirchenstaat, hatte die konservative Fraktion mobilgemacht und transportiert: Rührt die reine, zweitausend Jahre alte, von Gott gegebene Lehre zu Ehe und Familie nicht an!

Da mögen andere nach Wegen suchen, wie man geschiedene Katholiken, die ein zweites Mal heiraten wollen, einen Zugang zu den Sakramenten ermöglicht; oder darüber diskutieren, ob und wie die Kirche auch gleichgeschlechtliche Paare als vollwertige Mitglieder aufnehmen könnte: Für den orthodoxen schwarzen Block gibt es laut dem australischen Kurienkardinal George Pell, "keine Möglichkeit, an dieser Lehre etwas zu ändern".

Missbrauchsfälle vertuscht

Pell, Chef des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, wurde bekannt, weil er Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kirche vertuscht haben soll. Noch im Mai dieses Jahres bezeichnete ein Mitglied der 2014 gegründeten päpstlichen Kinderschutzkommission, Peter Saunders, ihn als "unhaltbar für den Vatikan". Doch der Rest der Kommission sah das anders. Pell ist auch der Organisator der aktuellen schriftlichen Warnung". Sie wurde dem Papst zugestellt, noch bevor die Diskussionen überhaupt begonnen hatten. Und Franziskus tat den Verfassern offenbar den Gefallen, die Unantastbarkeit der Lehre öffentlich klarzustellen.

Niemand weiß, wer eigentlich den Brief dem Magazin "L'Espresso" zuspielte. Vatikansprecher Pater Federico Lombardo nannte die Weitergabe "einen Akt der Störung", der von den Unterzeichnern nicht beabsichtigt gewesen sei. Andere vermuten das Gegenteil.

"Ideologische Schlacht im Vatikan"

Für Nello Scavo, Journalist bei der katholischen Tageszeitung "Avvenire", ortet im Vatikan "eine ideologische Schlacht". Er hat dazu gerade ein Buch präsentiert ("Die Feinde von Franziskus"). Seine Verschwörungstheorie besagt, dass Franziskus' Gegner versuchten, "den Papst zu diskreditieren, zum Schweigen zu bringen". Es handelt sich demnach um Pell und Müller, den afrikanischen Kardinal Wilfried Fox Napier und insbesondere mächtige US-Bischöfe, angeführt vom New Yorker Timothy Dolan.

"Homosexualität und Islamischer Fanatismus"

Auch Robert Sarah, Kardinal aus Guinea, zählt zu dieser Gruppe. Und er bewies bei der Synode laut einem Zeitungsbericht, dass ihm alle Mittel recht sind, wenn es um die Verteidigung der Lehre geht: "Was im 20. Jahrhundert Nazi-Faschismus und Kommunismus waren", so wird er zitiert, "das sind heute westliche Ideologien über Homosexualität und Abtreibung sowie der Islamistische Fanatismus." Der katholische US-Zeitung "National Catholic Register" veröffentlichte den Redebeitrag Sarahs. Er stammt demnach von letzter Woche. Die Kirche befinde sich zwischen dem Götzendienst westlicher Freiheit und dem islamischen Fundamentalismus, beides seien "apokalyptische Bestien", ergänzte Sarah.

Progressiver Flügel

Die sogenannten "Progressisten", auf der anderen Seite, kommen vor allem aus Europa, wie der deutsche emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper und der Münchener Erzbischof Reinhard Marx. Dass sie in der Minderheit sind, ist ihnen klar. Deshalb versuchen sie auch in den synodalen Diskussionen gar nicht erst, die amtlich-katholische Doktrin zu ändern. Die Lehre bewahren und zugleich "die verwundeten Menschen begleiten", ist ein Leitmotiv aus ihren Reihen. Auch ein Vorschlag, den schon im Frühjahr 2014 Walter Kasper gemacht hatte, die wiederverheirateten Geschiedenen über einen "Bußweg" an die Sakramente heranzuführen, ist in der Debatte. Und immer wieder geht es um eine "neue Sprache".

Dabei, sagen die einen, gehe es um eine andere Haltung gegenüber den Problemen vieler Gläubiger in der heutigen Zeit. Oder es gehe, sagen andere, doch letztlich nur darum, das verbal zu verbinden, was faktisch nicht zu verbinden ist: Eine in Stein gemeißelte alte Lehre in moderner Zeit.