Bayerns Ministerpräsident Seehofer wiederum bekräftigte im Beisein des nationalkonservativen Premiers aus Ungarn seine Kritik an der Entscheidung seiner Parteifreundin, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Flüchtlinge ungehindert nach Deutschland einreisen zu lassen. Nun gehe es darum, diese "chaotischen Verhältnisse" wieder zu beenden.

Orban, zu dem die CSU seit langem enge Beziehungen pflegt, war Gast auf der Herbstklausur der CSU-Landtagsfraktion. Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der CSU-Schwesterpartei ÖVP wird am Donnerstag bei der Klausur erwartet.

Die bayrische Opposition protestierte in scharfer Form gegen den Besuch Orbans, der wegen seines Umgangs mit Flüchtlingen seit langem in der Kritik steht. Grünen-Politiker Anton Hofreiter warf der CSU angesichts von Orbans umstrittenem Umgang mit Flüchtlingen vor, den ungarischen Rechtskonservativen mit einer demonstrativen Einladung zu hofieren. Die Kritik wurde am Mittwoch von Mikl-Leitner zurückgewiesen. "Einen Schulterschluss schafft man nicht durch Ausgrenzung", sagte Mikl-Leitner nach Angaben eines Sprechers.

Vor seiner Weiterreise zum EU-Flüchtlingsgipfel präsentierte Orban ein Forderungspaket mit sechs Punkten: ein Drei-Milliarden-Programm der EU zur Bewältigung der Krise, finanziert von den Mitgliedstaaten. Zudem sprach er sich für eine stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen aus. Dabei solle - wenn Griechenland dies wolle - die Überwachung der griechischen Grenzen von anderen europäischen Ländern übernommen werden, die dazu bereit seien. "Jedes Land, das daran Interesse hat, könnte freiwillig Kräfte dorthin entsenden", sagte er. Flüchtlinge und Arbeitsmigranten sollten bereits vor der Einreise in den Schengen-Raum getrennt werden. Außerdem solle es eine gemeinsame europäische Liste sicherer Herkunftsstaaten geben, forderte Orban.

Orban schlug außerdem eine "besondere Partnerschaft" mit der Türkei vor, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Auch das Verhältnis zu Russland solle überdacht werden - wofür auch Seehofer und die CSU zuletzt plädiert hatten. Eine Flüchtlingsquote innerhalb der EU lehnte Orban erneut ab, plädierte aber für "Weltkontingente". Zudem zeigte er sich offen für den CSU-Vorschlag, man solle sich auf europäischer Ebene auf Kontingente - also auch Obergrenzen - einigen.

Orban grenzte sich deutlich von Merkel ab - auch wenn er versicherte, dass er sich nicht in die deutsche Innenpolitik einmischen wolle. "Das Wichtigste ist, dass es keinen moralischen Imperialismus geben sollte", sagte er. Ungarn wolle sich nicht ändern - und man möge Ungarn nicht dazu zwingen. Zugleich sagte Orban, er habe Mitgefühl gegenüber Flüchtlingen, die betrogen worden seien - von Schleppern, aber auch von Politikern, die das Gefühl erweckt hätten, sie seien willkommen und alle dürften kommen. Merkels Namen nannte er dabei nicht. Er betonte aber: "Ungarn hat niemanden betrogen."

Seehofer verteidigte die CSU-Einladung an Orban - und auch dessen Kurs gegenüber Flüchtlingen. "Es geht darum, europäische Regeln wieder zur Geltung zu bringen", sagte der CSU-Chef. "Und dafür hat Viktor Orban Unterstützung und nicht Kritik verdient." In einer so aufgewühlten Zeit sei es wichtig, dass man miteinander spreche. Und Ungarn sei unverzichtbar für eine wirkliche Lösung des Konflikts.

SPD, Grüne und Linkspartei kritisierten den Gastauftritt dagegen scharf. SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann sagte in Berlin, Orban sei nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. "Herr Orban tritt die Menschenrechte mit Füßen und Herr Seehofer rollt ihm einen roten Teppich aus. Das ist nicht in Ordnung."