Die Migranten wollten nicht in Ländern wie Ungarn, Polen oder Estland bleiben. "Alle würden gerne nach Deutschland gehen." Mit Blick auf das Flüchtlingschaos im eigenen Land sage Orban, Ungarn halte sich lediglich an europäische Regeln und tue das, was die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erwarte. Es dürfe kein Flüchtling ausreisen, ohne dass er vorher registriert worden sei.

Migranten warnte der rechtsnationale Regierungschef ausdrücklich vor einer Einreise nach Ungarn. "Bitte kommen Sie nicht. Es ist riskant zu kommen. Wir können nicht garantieren, dass Sie akzeptiert werden", sagte er. Orban verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es menschlich und moralisch nicht richtig wäre, Menschen falsche Hoffnungen zu machen.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warf dem ungarischen Regierungschef vor, in der Migrationspolitik die falschen Schwerpunkte zu setzen. "Ich bin nicht der Meinung von Viktor Orban", sagte der SPD-Politiker. Es möge zutreffen, dass nicht alle Menschen in Ungarn bleiben wollten. Ziel müsse deswegen aber eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge sein.

"Wenn Sie 400.000 oder 500.000 Flüchtlinge haben, die nach Europa kommen, und Sie verteilen die unter 507 Millionen Menschen, die in den 28 Mitgliedstaaten der EU leben, dann ist das kein Problem", sagte Schulz. "507 Millionen im Verhältnis zu 500.000 ist machbar, aber wenn Sie 500.000 konzentrieren auf ganz wenige Länder, dann ist das ein Problem." Schulz spielte damit darauf an, dass derzeit Staaten wie Schweden oder Deutschland den Großteil aller in die EU kommenden Asylsuchenden aufnehmen.

Schulz forderte Asylsuchende auf, zu akzeptieren, dass sie sich ihr Aufnahmeland nicht aussuchen können. "Wir brauchen auch die Erkenntnis, dass es nicht so ist, dass jemand sagen kann, ich will in die Europäische Union und nur nach Deutschland. Wer den Schutz der Union will, muss auch damit leben, dass in der Union verteilt wird", sagte er.

Zum Thema Quotenregelung entgegnete Orban, er sei bereit, darüber zu diskutieren. Priorität habe für ihn allerdings die Sicherheit im eigenen Land. "Die Menschen in Ungarn haben Angst", sagte er. "Das liegt daran, dass die europäischen Staatsoberhäupter und Minister nicht in der Lage sind, die Situation unter Kontrolle zu bringen."

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wies Vorwürfe des ungarischen Ministerpräsidenten Orban streng zurück. Bei einem Besuch in der Schweiz sagte Merkel am Freitag: "Deutschland tut das, was moralisch und was rechtlich geboten ist. Und nicht mehr und nicht weniger." Zugleich ermahnte sie Ungarn, die Genfer Konvention einzuhalten, in der Schutz von Krieg- und Bürgerkriegsflüchtlingen geregelt ist. "Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt nicht nur in Deutschland, sondern in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union."

Laut dem deutschen Innenminister Thomas de Maiziere sind im August mehr als 100.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen - und damit mehr als je zuvor in einem einzelnen Monat, erklärte die Bundestagspressestelle am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags. Insgesamt sei die Zahl der Flüchtlinge seit Jahresanfang damit auf 413.000 gestiegen. Mehr als jeder Vierte (112.000) davon sei aus Syrien gekommen.

Bis Ende des Jahres rechnet die deutsche Regierung mit 800.000 Asylsuchenden - viermal so viele wie im vergangenen Jahr. De Maiziere sagte den Angaben zufolge auch, dass bis Ende August 340 Anschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland gezählt worden