Der seit viereinhalb Jahren andauernde Bürgerkrieg hat in Syrien bereits die Hälfte aller Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Ein Fünftel der Bevölkerung ist nach Angaben der UNO inzwischen ins Ausland geflohen. Weil diese in den benachbarten Erstaufnahmeländern kaum noch angemessen versorgt werden können und weil sie die Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat angesichts des langen Bürgerkriegs aufgeben, flüchten nun viele nach Europa weiter.

7,6 Millionen Vertriebene

Wie aus den jüngsten von der UNO veröffentlichten Zahlen hervorgeht, gibt es innerhalb Syriens 7,6 Millionen Binnenvertriebene. Die Zahl der ins Ausland Geflüchteten überschritt gerade die Marke von vier Millionen; bis zum Jahresende rechnet die UNO mit 4,27 Millionen Syrern, die im Ausland ihr Überleben sichern wollen. Vor dem Beginn der Kämpfe im März 2011 zählte Syrien 23 Millionen Einwohner; mehr als 240.000 Menschen wurden seitdem dort getötet.

In Syrien fällt es den Hilfsorganisationen zunehmend schwer, die Bedürftigen zu erreichen und zu versorgen. Das gilt insbesondere für die direkten Kampfzonen, in denen nach Angaben der vor Ort tätigen UNO-Vertreter gegenwärtig 4,6 Millionen Zivilisten leben. Von diesen litten derzeit 422.000 unter einem regelrechten Belagerungszustand.

Archivaufnahme (2013) aus Aleppo
Archivaufnahme (2013) aus Aleppo © Virginie Nguyen Hoang

"In unserer Generation ist dies der Einzelkonflikt, der die höchste Zahl an Flüchtlingen verursacht hat", erklärte im Juli UNO-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres. "Sie bräuchten dringend den Beistand der Welt, versinken aber immer tiefer in Not und Armut." Binnen zehn Monaten sei die Zahl der ins Ausland geflüchteten Syrer deshalb um eine Million angewachsen, erklärte Guterres.

Erste Anlaufstation sind die Nachbarländer

Die ersten Anlaufstationen sind die direkten Nachbarländer. 1,8 Millionen Syrer sind inzwischen in der Türkei gestrandet, 1,1 Millionen im Libanon.

Auf dem Weg ins Flüchtlingscamp im Libanon
Auf dem Weg ins Flüchtlingscamp im Libanon © APA/EPA/WAEL HAMZEH

Für Jordanien gibt das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) die Zahl von 600.000 syrischen Flüchtlingen an; die Regierung in Amman schätzt aber, dass es insgesamt 1,4 Millionen Menschen sind, was 20 Prozent der eigenen Bevölkerung entsprechen würde. Im Irak, selbst vielerorts eine Kriegszone, leben derzeit 225.000 Flüchtlinge aus Syrien; nach Ägypten sind weitere 137.000 geflüchtet.

In diesen Erstaufnahmeländern leben die Syrer in Zeltstädten und anderen ärmlichen Notunterkünften. Die medizinische Versorgung ist sehr lückenhaft, die geringen Schulangebote für die Kinder verschlechtern sich noch aufgrund des weiteren Zustroms. Legale Erwerbstätigkeit ist den Flüchtlingen nicht erlaubt; viele verdingen sich auf dem schwarzen Arbeitsmarkt für Hungerlöhne. Das erzeugt Anfeindungen seitens der Bevölkerung vor Ort, denen Arbeitsmöglichkeiten genommen und deren Löhne ebenfalls gedrückt werden.

UNO warnt

Die UNO hatte im Juni gemeinsam mit internationalen Hilfsorganisationen vor einer "massiven Krise" gewarnt und die Weltgemeinschaft zu stärkerer finanzieller Unterstützung aufgerufen. Bisher wurde aber nicht einmal die Hälfte der angeforderten Summen zugesagt.

Fotos von Flüchtlingskindern, aufgenommen im Camp Zaatari in Jordanien
Fotos von Flüchtlingskindern, aufgenommen im Camp Zaatari in Jordanien © AP

Die Zahl der Syrer, die sich auf die gefährliche Fortsetzung ihrer Flucht Richtung Europa machen, dürfte angesichts der Situation der Binnenvertriebenen und der Lage in den Flüchtlingscamps der Nachbarländer deshalb eher noch anwachsen, sagt die Organisation Human Rights Watch (HRW) auf Basis von Befragungen voraus.