Der Kameramann zürnt, als ihn ein Sicherheitsbeamter daran erinnert, dass er hier nicht filmen dürfe. "Ja, was dürf' ma denn da überhaupt?", fragt er mit rotem Kopf, "ja sind wir schon in Albanien?". Der Andrang zur Westbalkan-Konferenz in der Wiener Hofburg ist enorm.

Man dürfe die Erwartungen bei so einer Konferenz nicht zu hoch stecken, sagt eine albanische Journalistin in gutem Deutsch, "aber natürlich erhoffen wir uns eine Verbesserung unserer Lage", sagt die Mittdreißigerin. Und dabei gehe es ihr nicht nur um Pressefreiheit, sondern auch um eine echte Bekämpfung der Korruption, nicht nur um hübsche Worte.

Kurz, Steinmeier, Poposki, Hahn, Dacic
Kurz, Steinmeier, Poposki, Hahn, Dacic © (c) APA

Und überhaupt: "Bei uns in Albanien gibt es die Superreichen, und dann gibt es die Bitterarmen: dazwischen ist nicht so viel", sagt sie. "Wir haben jahrzehntelang im Steinzeitkommunismus gelebt, es wird wohl noch viele Jahre dauern, bis wir uns aus dieser Umklammerung befreien können." Die Eliten von damals würden da und dort noch immer auftauchen, und nicht nur in unwichtigen Positionen.

Verbindendes

Das Verbindende vor das Trennende stellen. Daran erinnert Bundeskanzler Werner Faymann bei der offiziellen Eröffnung der Konferenz im Kleinen Redoutensaal, flankiert von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und den Regierungsvertretern aus den Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien&Herzegowina, Kroatien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien und einer Unzahl von Attachés. Rudolf Buchbinder, der österreich-böhmische Ausnahmepianist, spielt Mendelssohn-Bartholdy, Kulturminister Ostermayer streicht hervor, dass Wien nicht nur als Kulturstadt weltberühmt wurde, sondern auch als Stadt, in der traditionell Bündnisse geschlossen wurde. Eine Stadt als Vermittlerin oder Kupplerin, je nachdem.

Die erste Westbalkan-Konfernz gab es vor einem Jahr in Berlin, im nächsten Jahr soll sie in Paris über die Bühne gehen. Das vorrangige Ziel einst war die ökonomische Kooperation: die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Westbalkanstaaten untereinander, aber freilich verstärkt auch in Richtung EU.

Faymann, Merkel, Mogherini
Faymann, Merkel, Mogherini © (c) APA/EPA

Doch dann kam die Flüchtlingskrise und mit ihr die alles beherrschende Frage, auch bei diesem Treffen: Was tun mit den Hunderttausenden Menschen, die immer mehr und immer öfter über die Balkanroute in die EU-Länder drängen?

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz erneuerte bei einer Pressekonferenz mit seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier seine Forderung, dass Europa "unbedingt gemeinsam und sofort eine Lösung in der Flüchtlingsfrage" finden müsse. Steinmeier fügte an: "Grenzzäune werden das Migrationsproblem nicht lösen, aber es kann auch nicht sein, dass Menschen aus Ländern aus dem westlichen Balkan, die auf dem Weg in die EU sind, als Asylsuchende in Deutschland eingestuft werden wollen." Expliizit sagte er: "Kosovaren haben keine Chance auf Asyl in Deutschland." So oder so steht der Westbalkan nach wie vor drinnen vor der Tür.