Der Weg der Westbalkanstaaten in die EU ist unbestritten noch lang, zumindest gegenseitig wollen die dortigen Regierungen einander aber zukünftig nicht mehr blockieren. Eine entsprechende Erklärung werden die Staaten im Rahmen der heutigen Westbalkankonferenz in Wien unterzeichnen.

Die Unterzeichnerstaaten (Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Albanien und der Kosovo) verpflichten sich zudem "alle offenen bilateralen Fragen" zu klären und jährlich über den Fortschritt zu berichten - erstmals bei der Westbalkankonferenz in Paris 2016.

Bereits nach Wien kommen die Westbalkanstaaten nicht mit leeren Händen: Montenegro, dessen EU-Beitrittsbemühungen am weitesten fortgeschritten sind, unterzeichnete am Mittwoch ein Grenzabkommen mit Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo. Und auch bei den Normalisierungsverhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien unter EU-Führung konnte am späten Dienstagabend ein Erfolg vermeldet werden.

Ziel: Europäische Union

"Dass sie gestern unterzeichnet haben, war kein Zufall", erklärte Kickert bei einer Podiumsdiskussion im Außenministerium. "Sie wollten zeigen, dass sie wirklich bereit sind, Resultate zu liefern." Nun spreche seiner Meinung nach nichts gegen die Eröffnung des ersten Kapitels in den EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien - worauf das Land seit fast zwei Jahren wartet - betonte Kickert. Dasselbe gelte für ein Assoziierungsabkommen mit Prishtina sowie ein Ende der Visumspflicht für Kosovaren. "Wir wollen eine positive Wettbewerb: Sie sollen sagen: Wir können Probleme untereinander lösen, auf eigene Faust, und wir werden es tun."

Viel zu oft noch seien Konflikte zwischen den Nachfolgestaaten Jugoslawiens ein Hindernis für deren EU-Annäherung, monierte auch der albanische Außenminister Dimitri Bushati. "Eigentlich ist das EU-Recht sehr klar, was Teil des Verhandlungsprozesses sein sollte und was nicht, nur die Realität sieht leider oft anders aus." In der Vergangenheit verzögerten etwa Streitigkeiten zwischen Ljubljana und Zagreb den EU-Beitritt Kroatiens. Auch die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien scheitert seit Jahren an ungelösten Namensstreitigkeiten mit Griechenland; und seit kurzem zusätzlich an zunehmend autokratischen Tendenzen der Regierung in Skopje.

Auch kleine Streitigkeiten ernst nehmen

Ob manche Konflikte von EU-Seite nicht lieber vergessen werden sollte, um diesen dadurch nicht erst politische "Legitimität" zu verleihen, darüber gingen die Meinungen auseinander. Man müsse jeden noch so kleinen Disput ernst nehmen, damit dieser als gelöst gelte und Populisten nicht länger politisches Kapital daraus ziehen könnten, argumentierte etwa der Balkanexperte Florian Bieber von der Universität Graz. Grenzstreitigkeiten seien wichtig, "aber es ist nicht das, was die Menschen wirklich bewegt", sagte hingegen die Kosovo-Beauftragte des EU-Parlaments, die österreichische Grünenpolitikerin Ulrike Lunacek. "Im Kosovo und in Mazedonien muss man das grundsätzliche Problem lösen, die Grenzfragen werden dann folgen."

Warnung vor Depression

Einig war man sich, dass eine weitere Verzögerung des Beitrittsprozesses der Westbalkanstaaten - bereits jetzt hat die EU-Kommission Erweiterungsschritte vor dem Ende ihrer Amtszeit 2019 ausgeschlossen - negative Auswirkungen für die Region hätte. Er habe das Gefühl, die EU tanze einen "strategischen Limbo" auf dem Westbalkan, sagte Bushati. "Wir sind weder dabei, noch draußen. Die EU muss sicherstellen, dass nach Jahren der Unterdrückung diese nicht durch eine Depression ersetzt wird", warnte er. Sonst drohe "Reformmüdigkeit".

Ungetrübt optimistisch gab sich hingegen Außenamtsdirektor Kickert. Zu oft sei im Vorfeld der Westbalkankonferenz die pessimistische Sichtweise im Mittelpunkt gestanden, in Sachen EU-Annäherung ginge ohnehin nichts weiter. "Aber wir machen Fortschritte!" Allerdings sei das Engagement Österreichs nicht genug: "Wir müssen an die großen EU-Mitgliedsstaaten appellieren, um die Dinge in Bewegung zu bringen."