Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist von Maßnahmen wie der Errichtung des ungarischen Grenzzauns "nicht überrascht". Wenn es in der EU keinen ganzheitlichen Ansatz in der Flüchtlingsfrage gebe, "dann sind Staaten ja gezwungen, Einzelmaßnahmen zu setzen" , sagte Kurz im APA-Interview vor der am Donnerstag in Wien stattfindenden Westbalkan-Konferenz.

Auf die Frage, ob er erwarte, dass durch den Zaun zwischen Ungarn und Serbien weniger Flüchtlinge nach Österreich kommen, antwortete Kurz: "Das kann durchaus sein, dass dadurch diese Route natürlich schwieriger für die Flüchtlinge und insbesondere für die Schlepper wird." Der Außenminister kritisierte Griechenland scharf, "Dublin und sämtliche andere Regelungen im Flüchtlingsbereich" zu verletzen und "Flüchtlinge durchzuwinken".

"Sorgen der Menschen verständlich"

Der Außenminister betonte, die "Sorgen der Menschen" zu verstehen. Im Gegensatz zu den Balkan-Kriegen in den 1990er-Jahren würden heute selbst Kriegsflüchtlinge auch aus ökonomischen Überlegungen nach Österreich kommen. "Jetzt haben wir die Situation, dass die Flüchtlinge ihre Flucht zwar aufgrund der schlechten Sicherheitssituation oder aufgrund von Verfolgung beginnen, dass es aber sehr wohl wirtschaftliche Gründe dafür gibt, dass sie dann aus der Region weiterziehen." Zudem sei die Zahl der möglichen Flüchtlinge abschätzbar gewesen.

Die EU dürfe den Westbalkanstaaten nicht die "Perspektive rauben" und sie "ein bisschen links liegen" lassen, wie derzeit in der Flüchtlingsfrage. Österreich sei schon aus Eigeninteresse "besonders aktiv", den Balkan-Staaten zu helfen. Ohne EU-Perspektive sieht Kurz die Gefahr, "dass sich das eine oder andere Land von sich aus abwendet".

Noch größer sei aber die Gefahr von radikalislamischen "Außenstellen" in Ländern wie Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo. "Wir müssen, was den Kampf gegen IS betrifft, was den Kampf gegen Radikalisierung betrifft, mit der Region zusammenarbeiten, weil sonst schaut's für uns selbst bald sehr düster aus."