Die kanadische Regierung hat am Sonntag für den 19. Oktober Neuwahlen ausgerufen, die zu einem Umbruch in der Wirtschaftspolitik des Energie-Exporteurs führen könnten. Umfragen zufolge ist eine Mehrheit für konservativen Ministerpräsidenten Stephen Harper nicht mehr sicher.

Dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos zufolge stehen die Chancen etwa bei 50 Prozent, dass seine Partei wieder an die Macht kommt - deutlich schlechter als noch 2014. Anderenfalls gilt eine Koalition der beiden mitte-links-gerichteten Oppositionsparteien Neue Demokraten (NDP) und Liberalen als wahrscheinlich, da Minderheitsregierungen in Kanada selten länger als 18 Monate halten.

Niedriger Ölpreis

Kanadas Wirtschaft leidet unter dem niedrigen Ölpreis. Die in Umfragen führende NDP fordert eine Wende in der Wirtschaftspolitik, die unter Harper von Steuersenkungen, höheren Verteidigungsausgaben und weniger Vorschriften für die Energie-Wirtschaft geprägt ist. Nach ihrer Darstellung hat kein Ministerpräsident seit 1960 ein so niedriges Wirtschaftswachstum zu verantworten gehabt wie Harper. "Ihr Plan funktioniert nicht", warf NDP-Chef Thomas Mulcair zum Auftakt des Wahlkampfs Harper vor. "Wir werden die Wirtschaft ankurbeln und den Kanadiern wieder Jobs verschaffen." Harper wirft der Opposition vor, die Staatsausgaben und -Verschuldung erhöhen zu wollen.

Die Regierung hat die Wahl für kanadische Verhältnisse ungewöhnlich lange vor der eigentlichen Abstimmung ausgerufen. Einen elfwöchigen Wahlkampf hat es in Kanada seit 1870 nicht mehr gegeben, üblich war zuletzt die gesetzliche Mindestfrist von fünf Wochen. Angesicht der prall gefüllten Kassen der Konservativen sieht die Opposition in dem Schritt einen Versuch, sich einen unfairen Vorteil zu verschaffen. Harper wies dies am Sonntag zurück. "Dass wir als Partei über mehr Geld verfügen, dass wir als Partei besser organisiert sind, dass wir bei den Kanadiern einen größeren Rückhalt haben - diese Vorteile bestehen unabhängig davon, ob wir die Wahl jetzt ausrufen oder nicht."

Insgesamt 24,3 Millionen Kanadier sind am 19. Oktober aufgerufen, über die Zusammensetzung des dann 338 Sitze zählenden Parlaments zu bestimmen. Die Beteiligung hatte 2011 bei 61,1 Prozent gelegen.