Die Aufsichtsbehörde CSN (Rat für Nukleare Sicherheit) gab kürzlich Grünes Licht für das Vorhaben in der Provinz Cuenca. Aber die sozialistische Regierung der betroffenen Region Kastilien-La Mancha machte Madrid einen Strich durch die Rechnung. Sie stellte das Gebiet jetzt kurzerhand unter Naturschutz, indem sie die Fläche eines nahe gelegenen Schutzgebiets um das 25-fache erweiterte. "Nuklearkrieg um das Dorf Villar de Canas", titelte die Zeitung "El Mundo".

"In dieser ausgetrockneten Gegend wird sich niemals ein Vogel niederlassen", beklagte der Bürgermeister der 500-Seelen-Gemeinde, Jose Maria Saiz, der sich von dem Vorhaben für sein Dorf Hunderte von Arbeitsplätzen und Einnahmen in Millionenhöhe erhofft hatte. Als die Wahl vor knapp vier Jahren auf Villar de Canas fiel, hatten die Bewohner dies beinahe wie einen Hauptgewinn in der Weihnachtslotterie gefeiert.

Viele von ihnen haben wenig Verständnis für den Einspruch der Regionalregierung. "Ein Naturschutzgebiet von 25.000 Hektar, nur weil an einem See in dieser Gegend an 15 Tagen im Jahr ein paar Kraniche einen Stopp einlegen?", fragte der Bürgermeister empört in der Zeitung "El Pais". Gäste des Dorfwirtshauses witzelten: "Man sollte hier gegrillte Kraniche anbieten."

Dabei sind sich die großen Parteien einig, dass Spanien ein zentrales Zwischenlager für Atommüll braucht. Bisher werden die radioaktiven Abfälle der sieben spanischen Reaktoren innerhalb der einzelnen Kraftwerksgelände oder im Ausland gelagert. Die Sozialisten (PSOE) hatten unter Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero (2004-2011) den Bau eines "spanischen Gorleben" beschlossen. Die Konservativen (PP) entschieden, dass die Wahl auf Villar de Canas fiel.

Damals hieß die Regierungschefin von Kastilien-La Mancha allerdings noch Maria Dolores de Cospedal, als PP-Generalsekretärin die Nummer zwei in der Partei von Rajoy. Dies änderte sich nach den Regionalwahlen im Mai dieses Jahres. Nun regiert in der Region die PSOE im Bündnis mit der neuen Linkspartei Podemos ("Wir können"). "Villar de Canas wurde allein aus politischen Gründen ausgewählt", meint der neue Chef der Regionalregierung, Emiliano Garcia-Page. Der Einfluss von De Cospedal habe eine entscheidende Rolle gespielt.

Der "Atommüll-Friedhof" ist eines der größten aktuellen Investitionsvorhaben des spanischen Staates. Die Kosten werden auf bis zu eine Milliarde Euro beziffert. Die hoch radioaktiven Abfälle sollen nicht in unterirdischen Stollen, sondern in einem Gebäudekomplex auf ebener Erde gelagert werden. Experten meldeten Zweifel an dem ausgewählten Standort an. Der Untergrund sei aufgrund von Gipsablagerungen instabil und müsste in einem aufwendigen Verfahren befestigt werden, wandte der Berufsverband der Geologen ein. Dies würde Zusatzkosten verursachen, deren Höhe nicht abzusehen sei.

Die spanische Zentralregierung überlegt nun, wie sie auf die Ausweitung des Naturschutzgebiets durch die Region reagieren soll. Justizminister Rafael Catala meinte, Madrid könne ein "übergreifendes öffentliches Interesse" geltend machen. Dies hätte jedoch die Einschaltung der Gerichte und womöglich auch der EU zur Folge. Der Streit um das Zwischenlager dürfte sich noch einige Zeit hinziehen.