Griechenland hatte nach den Worten von Regierungschef Alexis Tsipras nie einen Plan für einen Austritt aus der Eurozone. Sie habe sich aber auf alle Fälle vorbereitet, sagte Tsipras am Freitag im griechischen Parlament. Der frühere Finanzminister Yanis Varoufakis wurde zletzt verschärft kritisiert, weil er an einem Plan für einen Euro-Austritt Griechenlands gearbeitet haben soll.

Tsipras nahm seinen Ex-Minister in Schutz. "Suchen Sie nicht nach Skandalen bei Varoufakis", sagte Tsipras. Varoufakis habe wohl Fehler gemacht. "Sie können ihn aber nicht anklagen, dass er ein Gauner ist. Sie können ihn nicht anklagen, dass er das Geld des Volkes geklaut hat. Er hat kein Geld ins Ausland gebracht", sagte Tsipras.

Im Eck: Yanis Varoufakis
Im Eck: Yanis Varoufakis © APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU

Griechenland habe sich auf den Fall vorbereiten müssen, dass andere Kräfte in der EU den Euro-Austritt in die Wege leiten würden, sagte Tsipras. "Fragen Sie doch die Regierung in Berlin", sagte er. "Sie wird Ihnen erklären, was das für ein Plan ist, (von dem Berlin) immer noch sagt, er bleibt auf dem Tisch", sagte Tsipras.

Er antwortete damit auf eine Anfrage der Sozialisten zu einem angeblichen Plan B von Varoufakis, der zum Austritt Griechenlands aus dem Euro führen könnte. Varoufakis soll laut der Zeitung "Kathimerini" den Ausbau eines parallelen Zahlungssystems für Griechenland geplant haben. Die griechische Justiz hat das Material zu dem Vorwurf dem Parlament übergeben. Varoufakis könnte eine Anklage wegen Hochverrats oder Bildung einer kriminellen Vereinigung drohen, spekulierten griechische Medien.

Tsipras vor Herkulesaufgabe

Tsipras hat sich in seiner Partei durchgesetzt. Vorerst. Der linke Flügel der Syriza-Partei läuft wegen der harten Sparmaßnahmen Sturm und bereitet sich auf einen Showdown im September vor. Eine echte Herkules-Aufgabe.

Ein tiefer Riss spaltet die griechische Regierungspartei Syriza. "Der nächste Schritt ist die Scheidung. Es führt nichts daran vorbei", sagt ein hoher Funktionär und Abgeordneter der Partei am Freitagmorgen. Dies sei das Fazit der mehr als zehnstündigen dramatischen Sitzung des Zentralkomitees der Syriza am Vortag. Der "innere Zusammenhalt" der Partei des Regierungschefs Alexis Tsipras sei gerissen. Grund sind die harten Sparmaßnahmen, denen Tsipras zugestimmt hat, damit Griechenland ein neues Hilfspaket der Geldgeber erhält und nicht finanziell zusammenbricht.

Die innerparteiliche Linke sieht das als Abweichung von den Zielen der Partei. Einige Mitglieder des Zentralkomitees sprechen von "Verrat" an den Ideen und den Wählern der Partei. Tsipras sollte "jetzt sofort" die Verhandlungen mit den Gläubigern abbrechen. Die Rückkehr zur alten Währung, der Drachme, sei die beste Lösung.

Der endgültige Bruch wurde am Donnerstagabend vorerst abgewendet. Nun soll es nach dem Beschluss des Zentralkomitees im September bei einem Sonderparteitag zum "Showdown" kommen. "Scheidung in Raten", meinte dazu die Athener Boulevardzeitung "Ethnos" am Freitag.

Der linke Flügel läuft Sturm. Sein Anführer Panagiotis Lafazanis "ist gestern durchgedreht", berichteten Augenzeugen von der Tagung des Zentralkomitees der Deutschen Presse-Agentur. "Heute gibt es in Griechenland keine Demokratie. Es herrscht die Diktatur des Euro", wetterte Lafazanis. Für Tsipras und seine Fraktion sei der Euro eine Art "religiöses Dogma" geworden, schimpfte er weiter. "Ja, ja, und Du wünschst Dir wohl die Diktatur des Proletariats", höhnte eine Stimme aus den Reihen der Tsipras-treuen-Fraktion. Der Bruch habe nach Ansicht von Insidern mittlerweile nicht nur politische sondern auch persönliche Dimensionen angenommen.

Tsipras dagegen blieb auf dem Boden der Tatsachen. Griechenland habe keine andere Wahl als den neuen Reform- und Sparmaßnahmen zuzustimmen, argumentierte er. Der andere Weg führe nur in die Katastrophe. Wer eine bessere Lösung hat, der soll es sagen", meinte Tsipras. "Zauberformeln" gebe es nicht.

Die Sitzung des ZK der Syriza ging kurz vor Mitternacht unter einem schlechten Stern zu Ende. Die Stimmung sei miserabel gewesen, sagen Augenzeugen. 17 Mitglieder des Syriza-Zentralkomitees - von insgesamt 201 - traten noch am späten Donnerstagabend zurück.

"Wie soll es jetzt weitergehen?", fragten sich Kommentatoren im griechischen Rundfunk am Freitagmorgen. Der linke Syriza-Flügel hatte im Juli im Parlament in Athen zweimal gegen Reform- und Sparmaßnahmen gestimmt. Das könne so nicht weitergehen, meinte Tsipras, es sei "surreal", wenn Abgeordnete des linken Parteiflügels im Parlament gegen die Regierungspolitik stimmten, zugleich aber erklärten, sie würden die Regierung unterstützen. Die notwendigen Gesetze für weitere Hilfen für Griechenland wurden dann mit den Stimmen der meisten Oppositionsparteien gebilligt. So dürfte es weitergehen, bis alle Gesetze und das neue Hilfsprogramm gebilligt sind.

Offenbar will Tsipras im September den Augias-Stall ausmisten. Wenn sich dann der linke Flügel abspaltet, dann dürfte das Volk das Wort mit Neuwahlen haben. Tsipras hofft, sich dann endgültig von den Abweichlern zu distanzieren. Umfragen zeigen, dass ein großer Teil der Bevölkerung ihm noch vertraut. Allerdings ist die genaue Stärke des Linksflügels, falls er sich alleine aufstellen sollte, demoskopisch noch nicht erfasst. Nicht ausgeschlossen ist die Kooperation der Tsipras-Fraktion im Parlament mit anderen Parteien, die sich für den Verbleib im Euroland aussprechen.

Turbulenter Herbst

Analysten in Athen rechneten auf jeden Fall mit einem turbulenten Herbst. "Wir sehen uns im September für die Abrechnung", titelte die Athener Zeitung der politischen Mitte, "Ta Nea", am Freitag.

Tsipras hat gleichzeitig Notfallpläne der Regierung für den Fall eines Ausscheidens seines Landes aus der Euro-Zone bestätigt. Vor dem Parlament in Athen sagte Tsipras am Freitag, es sei nicht darum gegangen, das Land aus der Gemeinschaftswährung herauszuführen. Vielmehr seien Vorbereitungen für den Fall getroffen worden, dass die Geldgeber Griechenland aus der Währungszone hätten drängen wollen. "Es gab Notfallpläne", sagte der Regierungschef. "Wenn unsere Partner und Kreditgeber einen Grexit-Plan vorbereitet hätten, hätten wir uns als Regierung nicht verteidigen sollen?", fragte der Linken-Politiker.

Tsipras bestätigte damit Aussagen seines früheren Finanzministers Yanis Varoufakis, nach denen dieser an der Spitze einer fünf Personen umfassenden geheimen Gruppe die Einführung eines parallelen Währungssystems als Notfalloption vorbereitet habe. Teil des Plans soll auch das Hacken von privaten Steuernummern gewesen sein. Die griechische Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob dabei gegen Gesetze verstoßen wurde. Dabei steht Varoufakis aber wegen seiner parlamentarischen Immunität nicht im Zentrum. Die Mitgliedschaft Griechenlands in der Euro-Zone war bis zur Einigung zwischen Geldgebern und der Regierung auf die Bedingungen für neue Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm Mitte Juli auf der Kippe gestanden.