Viel Jubel, aber auch heftige Ablehnung hat die Einigung mit dem Iran über ein Atomabkommen ausgelöst. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geißelte das Abkommen als historischen Fehler. "Dem Iran wird damit ein sicherer Weg eröffnet, Atomwaffen zu erlangen", kritisierte Netanjahu. Viele der Beschränkungen, die genau das verhindern sollten, würden nun aufgehoben. "Der Iran gewinnt den Jackpot, Hunderte Milliarden Dollar, mit denen das Land weiter Aggression und Terror in der Region und der Welt vorantreiben kann. Dies ist ein schlimmer Fehler historischen Ausmaßes." Israel fühlt sich vom Iran bedroht und hat vehement Front gegen Zugeständnisse des Westens an die Islamische Republik gemacht. 

US-Präsident Barack Obama dagegen pries die Einigung als großen Erfolg. Das Abkommen mache "das Land und die Welt sicherer", sagte Obama am Dienstag in einer Fernsehansprache aus dem Weißen Haus. Für den Iran sei "jeder Pfad" zur Atombombe abgeschnitten. Die Verbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten sei "gestoppt". Obama sagte, das Abkommen beruhe nicht auf Vertrauen, sondern auf einer Überprüfung durch internationale Inspektoren. Sollte Teheran gegen seine Verpflichtungen verstoßen, würden die Sanktionen sofort wieder "zuschnappen". Der Präsident rief den US-Kongress auf, die Einigung mit dem Iran mitzutragen. Für den Fall einer Ablehnung des Deals durch das Parlament drohte er mit seinem Veto. Das iranische Staatsfernsehen tat einen äußerst seltenen Schritt und übertrug die Erklärung Obamas live. Es war erst das zweite Mal seit der Islamischen Revolution von 1979, dass die Rede eines US-Präsidenten direkt übertragen wurde. 

"Neues Kapitel der Hoffnung"

Zuversichtlich zeigte sich auch die iranische Seite. "Wir eröffnen ein neues Kapitel der Hoffnung", erklärte der iranische Außenminister Mohammed Jawad Zarif. Irans Präsident Hassan Rohani hält das Abkommen für einen Gewinn für alle beteiligten Seiten. "Diese Verhandlungen konnten nie mit einer Sieger-Verlierer-Lösung enden. Wir wollten, dass alle Seiten als Sieger dastehen", sagte der als gemäßigt geltende Reformer am Dienstag in Teheran.

Die Verhandlungen hätten gezeigt, dass sich Probleme dieser Welt ohne unverhältnismäßige Kosten und in einem erträglichen Zeitrahmen lösen ließen. Der Atomstreit sei zu einer Iran-Phobie hochgespielt worden. "Uns wurde unterstellt, dass wir Massenvernichtungswaffen herstellen. Wir haben beides durch Verhandlungen widerlegt."

Einladung des Ayatollah

Irans oberster Geistlicher Führer Ayatollah Ali Khamenei hat in Reaktion auf die Einigung Präsident Rohani zum Fastenbrechen (Iftar) eingeladen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tasnim hat Khamenei außer Rohani auch alle Minister in seine Residenz gebeten. Beobachter in Teheran legen diese nicht im Voraus geplante Iftar-Einladung als Befürwortung der Atomeinigung durch Khamenei aus. Laut iranischer Verfassung hat Khamenei das letzte Wort in allen strategischen Belangen, also auch in der Atompolitik.

EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sprach von einem "Zeichen der Hoffnung für die ganze Welt". In den nächsten Monaten werde die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) unter anderem Zugang zur Militäranlage im iranischen Parchin erhalten, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano.

Rouhani twitterte am Vormittag Bilder von der Unterzeichnung einer Kooperationsurkunde mitder IAEA.

Auch der deutsche Außenmininister Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Einigung. "Mit dieser Vereinbarung wird ein iranischer Griff nach der Atombombe auf absehbare Zeit verlässlich und nachprüfbar ausgeschlossen", erklärte Steinmeier. "Heute ist ein guter, ja vielleicht ein historischer Tag für alle, die sich eine friedliche Konfliktbeilegung wünschen, und auch für mich persönlich ein großartiger Moment." EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach vom "Beginn einer neuen Ära".

Der Iran hat bei den Atomverhandlungen in Wien zugesagt, die Zahl seiner Zentrifugen zur Urananreicherung für zehn Jahre um zwei Drittel zu reduzieren. Laut einem iranischen Dokument, das am Dienstag in Wien veröffentlicht wurde, soll die Zahl der Zentrifugen in der Urananreicherungsanlage von Natanz auf 5.060 begrenzt werden, während in Fordo 1.044 weitere verbleiben sollen, ohne aber zur Urananreicherung genutzt zu werden. Bisher hat der Iran 19.000 Zentrifugen, davon sind aber weniger als 10.000 in Betrieb. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, das UN-Waffenembargo gegen den Iran bleibe weitere fünf Jahre in Kraft.

"Ein Nationalheld"

Freude herrschte nach den Berichten über eine Einigung auch unter den iranischen Journalisten. Das lange Warten auf diesen Moment habe nun endlich ein Ende, die Feiern im Iran würden nun bombastischer ausfallen, als man sich das vorstellen kann, meinte ein Medienvertreter aus Teheran: "Zarif (Außenminister Mohammad Javad) ist ein Nationalheld."

Mit der Einigung soll der Bau einer iranischen Atombombe unmöglich werden. Im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen des Westens schrittweise aufgehoben. Der skeptische US-Kongress - viele Abgeordnete lehnen jegliche politische Kooperation mit dem Iran ab - muss der Vereinbarung aber noch zustimmen. Israel läuft dagegen Sturm.

Die Übereinkunft markiert einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen den USA und dem Iran nach 36 Jahren politischer Eiszeit. Das Abkommen bedeutet auch ein Ende der außenpolitischen Isolation Teherans und stärkt die Islamische Republik als Regionalmacht.

In einem ersten Schritt werden die Einschränkungen für die Banken und das Öl-Embargo der EU aufgehoben. Damit kann Teheran wieder deutlich mehr Öl exportieren. Obendrein erhält das Land Zugang zu mindestens 100 Milliarden Dollar (90 Milliarden Euro), eingefroren auf ausländischen Konten.