"Wir sagen sehr deutlich, dass die Tür für Gespräche offen bleibt", sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit Frankreichs Staatschef François Hollande in Paris. Beim Treffen der Euro-Staats- und Regierungschef am Dienstag in Brüssel müsse Tsipras aber sagen, "wie es weitergehen soll". "Hierbei drängt die Zeit", sagte die Kanzlerin. Für Verhandlungen über Hilfen unter dem Dach des Euro-Rettungsschirms ESM seien die Voraussetzungen aber zurzeit nicht gegeben.

Auch Hollande erwartet von der Regierung Griechenlands konstruktive Vorschläge zur Beendigung der Schuldenkrise. Griechenland brauche langfristige Lösungen, betonte Hollande. "Es gibt nicht mehr viel Zeit." Es sei dringend notwendig, dass jetzt gehandelt werde.

Merkel und Hollande wollten vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs aller 19 Euro-Länder an diesem Dienstag in Brüssel eine gemeinsame Linie abstimmen. Bei diesem Treffen wird auch der 55-jährige Syriza-Politiker Tsakalotos seinen ersten Auftritt als Finanzminister haben. Diplomaten erwarten in der Eurogruppe wegen zahlreicher Widerstände schwierige Gespräche.

Anschließend treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten. An der Toprunde werden auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, teilnehmen.

Noch am Montag sprach sich Tsakalotos für eine Fortsetzung der Verhandlungen Athens mit seinen Gläubigern aus. "Ich denke, dass sich etwas in Europa ändern kann", sagte er kurz nach seiner Ernennung am Montagabend in Athen. Die Griechen hätten bei dem Referendum am Sonntag deutlich gemacht, dass sie "Besseres verdient haben" und eine "nicht-lebensfähige Lösung nicht akzeptieren" könnten.

Tsakalotos hat sich den Kampf gegen Steuerbetrug und Bestechung sowie für bessere Verwaltungsstrukturen auf die Fahnen geschrieben. Der in Rotterdam geborene Tsakalotos studierte Wirtschaft, Politik und Philosophie an den Universitäten Oxford und Sussex.

Regierungschef Tsipras hatte bereits Ende April aus den schleppenden Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern personelle Konsequenzen gezogen. Tsakalotos war damals schon Chefunterhändler und Koordinator der griechischen Delegation bei den Geldgebern. Der am Montag zurückgetretene Finanzminister Varoufakis war zu jener Zeit in den Hintergrund getreten und nahm nicht direkt an den Verhandlungen mit den Geldgebern teil.

Nach dem Referendum vom Sonntag über die Spar- und Reformauflagen der internationalen Geldgeber kündigte Varoufakis schließlich seinen Rücktritt an. Die Ernennung des sehr viel zurückhaltender auftretenden Tsakalotos zu seinem Nachfolger wird als ein Zeichen von Regierungschef Tsipras gewertet, den internationalen Gläubigern seines Landes entgegen zu kommen.

Varoufakis hatte als Grund für seinen Rücktritt genannt, dass er den Weg freimachen wolle für eine Verhandlungslösung mit der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Einige Mitglieder der Eurogruppe hätten ihm klar gemacht, dass sie es vorziehen würden, wenn er nicht mehr an ihren Treffen teilnehmen werde, erklärte Varoufakis. Sein Abschied sei von Tsipras als "potenziell hilfreich" betrachtet worden. "Ich werde die Abscheu der Gläubiger mit Stolz tragen", schrieb Varoufakis.

Tsipras hatte noch am Sonntagabend in einer TV-Ansprache angekündigt, Athen sei bereit zu "lebensfähigen Reformen, die von der Gesellschaft angenommen werden". Der Ausgang des Referendums bedeute keinen Bruch mit Europa. Die Griechen hatten am Sonntag überraschend deutlich dagegen gestimmt, im Gegenzug für weitere Finanzhilfen die Spar- und Reformauflagen der internationalen Geldgeber anzunehmen: Laut offiziellem Endergebnis erreichte das Nein-Lager 61,13 Prozent.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht nach dem Referendum in Griechenland jedenfalls große Herausforderungen auf die Regierung in Athen zukommen. "Ein neues Programm zu starten, zusätzlich Geldversorgungen zu organisieren, damit Banken wieder öffnen können, ist ungleich schwieriger als Verhandlungen bis zum letzten Moment zu führen", erklärte Faymann gegenüber dem Ö1-Abendjournal.

"Ich kann die Strategie nicht erkennen, hoffe aber, dass die griechische Regierung etwas vorschlägt, das den Ausdruck 'Strategie'" rechtfertigt, so der Bundeskanzler. Humanitäre Hilfen seien jedenfalls vorzubereiten. "Lieber wäre mir eine Wirtschaft, wo nicht die Ärmsten draufzahlen", betonte Faymann.