Nach dem Referendum in Griechenland hat Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel vom griechischen Regierungschef Alexis Tsipras rasche und "präzise" Vorschläge zum Umgang mit der Schuldenkrise gefordert. "Wir sagen sehr deutlich, dass die Tür für Gespräche offen bleibt", sagte Merkel am Montagabend nach einem Treffen mit Frankreichs Staatschef François Hollande in Paris. Beim Treffen der Euro-Staats- und Regierungschef am Dienstag in Brüssel müsse Tsipras aber sagen, "wie es weitergehen soll". "Hierbei drängt die Zeit", sagte die Kanzlerin. Für Verhandlungen über Hilfen unter dem Dach des Euro-Rettungsschirms ESM seien die Voraussetzungen aber zurzeit nicht gegeben.

Merkel und Hollande am Montag nach dem Krisentreffen
Merkel und Hollande am Montag nach dem Krisentreffen © APA

Auch Hollande erwartet von der Regierung Griechenlands konstruktive Vorschläge zur Beendigung der Schuldenkrise. Griechenland brauche langfristige Lösungen, betonte Hollande. "Es gibt nicht mehr viel Zeit." Merkel und Hollande wollten vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs aller 19 Euro-Länder an diesem Dienstag in Brüssel eine gemeinsame Linie abstimmen.

Auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hat am Montagabend ins gleiche Horn geblasen und Griechenland dringend aufgefordert, konstruktive Vorschläge zur Lösung der Finanzkrise vorzulegen. Ohne ein klares Reformpaket sei ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone "sehr fraglich", betonte der niederländische Finanzminister am Montagabend im niederländischen Parlament.

EZB hält Notfall-Hilfen für die Griechen aufrecht

Die EZB hält auch nach dem "Nein" der Griechen zu den jüngsten Rettungsangeboten der Gläubiger die Notfall-Hilfen an Hellas-Geldhäuser vorerst aufrecht. Der EZB-Rat beließ allerdings die Obergrenze für die sogenannten ELA-Notkredite auf dem Niveau vom 26. Juni, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Montag in Frankfurt mitteilte. Insidern zufolge liegt der Rahmen für die Liquiditätshilfen damit weiterhin bei rund 89 Milliarden Euro. Ohne die ELA-Kredite droht den Instituten das Geld auszugehen, da Unternehmen und Privatleute wegen der Unsicherheit, ob das Land im Euro bleiben kann, massiv ihre Konten leergeräumt haben.

Tsakalotos bereits angelobt

Euklid Tsakalotos ist neuer griechischer Finanzminister. Der 55-Jährige war zuletzt Chefunterhändler in den Gesprächen mit den Gläubigern und löst Yanis Varoufakis ab, der Montagmorgen überraschend zurückgetreten ist. Der Syriza-Politiker wurde am Montagabend angelobt  und wird schon am Dienstag seinen ersten Auftritt als Finanzminister in Brüssel bei der Tagung der Eurogruppe haben. 

Tsakalotos hat sich für eine Fortsetzung der Verhandlungen Athens mit seinen Gläubigern ausgesprochen. "Ich denke, dass sich etwas in Europa ändern kann", sagte der 55-Jährige kurz nach seiner Ernennung. Die Griechen hätten bei dem Referendum am Sonntag deutlich gemacht, dass sie "Besseres verdient haben" und eine "nicht-lebensfähige Lösung nicht akzeptieren" könnten. Tsakalotos gab zu, angesichts des neuen Postens "Lampenfieber" zu haben. Es sei "nicht der einfachste Moment in der griechischen Geschichte", um Finanzminister zu werden. Tsakalotos hat sich den Kampf gegen Steuerbetrug und Bestechung sowie für bessere Verwaltungsstrukturen auf die Fahnen geschrieben. 

Angelobung: Der griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos und sein neuer Finanzminister Euklides Tsakalotos
Angelobung: Der griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos und sein neuer Finanzminister Euklides Tsakalotos © APA

Glückwünsche von Fidel Castro

Kubas ehemaliger Präsident und Revolutionsführer Fidel Castro hat indes Alexis Tsipras zu dessen "brillantem politischen Sieg" gratuliert. Er habe den Ausgang des Referendums über die internationalen Reformauflagen im Fernsehen verfolgt, schrieb der 88-Jährige in einem Brief an den Vorsitzenden der linksgerichteten Syriza-Partei. "Ihr Land ruft bei den Völkern Lateinamerikas und der Karibik Bewunderung hervor", indem es "seine Identität und seine Kultur gegen Aggressionen von außen verteidigt", freute sich der Altrevolutionär.

Neben Castro hatten am Montag auch sein Bruder Raul, der aktuelle Staatschef Kubas, die argentinische Präsidentin Christina Kirchner und der bolivianische Staatschef Evo Morales Tsipras gratuliert.