Neue Runde im Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen Geldgebern: Die Finanzminister der Eurogruppe wollen am Mittwochvormittag (11.30 Uhr) erneut über die verfahrene Lage in dem pleitebedrohten Krisenland sprechen. EU-Diplomaten erwarten neue Spar- und Reformvorschläge der Regierung in Athen.

Volksabstimmung kommt - oder nicht?

Nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" erwägt Athen auch, die für Sonntag geplante Volksabstimmung unter der Bedingung abzusagen, dass es eine schnelle Übereinkunft mit der Eurogruppe gibt. Das habe Finanzminister Yannis Varoufakis seinen Kollegen gesagt. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagte hingegen am Dienstagabend in der ZiB 2, Varoufakis habe nicht eine Absage in Aussicht gestellt, sondern eine "Ja"-Empfehlung für die Abstimmung. Dies sollte in dem Fall geschehen, dass die EU-Finanzminister den neuen Vorschlägen Griechenlands zustimmten.

Athen und Brüssel haben Last-Minute-Vorschläge auf den Tisch gelegt, um die gescheiterten Verhandlungen wiederzubeleben. Griechenland brachte am Dienstag ein neues, drittes Hilfsprogramm ins Spiel, das aus drei Elementen besteht: neue Finanzhilfen im Umfang von rund 29 Milliarden Euro, ein Schuldenschnitt und eine kurzfristige Verlängerung des nun in der Nacht auf Mittwoch ausgelaufenen Hilfsprogramms. In einer eilends einberufenen Telefonkonferenz der Eurogruppe blitzte Athen am Abend mit seinem Antrag zunächst ab.

Mit Blick auf das Referendum sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Dienstagabend laut Nachrichtenagentur ANP im niederländischen Parlament: "Unter diesen Umständen ist es verrückt, das Programm zu verlängern. So endet es heute Nacht."

Sondersitzung im deutschen Bundestag

Brüssel hatte Athen zuvor gedrängt, die Bedingungen der Geldgeber für das auslaufende zweite Hilfsprogramm doch noch in letzter Minute anzunehmen. An der aktuell höchst bedrohlichen Situation der griechischen Staatsfinanzen kann die Athener Bitte allerdings kurzfristig nichts mehr ändern.

Der deutsche Bundestag debattiert am Mittwoch (13.00 Uhr) in Berlin in einer Sondersitzung über die Lage in Griechenland.

Die Finanzminister der Eurostaaten kamen nach den Worten des finnischen Ressortchefs Alexander Stubb zunächst zu dem Schluss, eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogramms und ein Schuldenschnitt seien nicht möglich. Eine Hilfsanfrage aus dem Euro-Rettungsfonds ESM würde zudem im üblichen Verfahren behandelt.

Ein neues Hilfsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm ESM setzt neue Verhandlungen mit den Geldgebern voraus. Bisher gemachte Zusagen und Angebote wären hinfällig. Die Regierung aus der Linkspartei Syriza und der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) hat bislang nicht dem von den Geldgebern geforderten Spar- und Reformmaßnahmen zugestimmt.

Damit wurde in der Nacht der bisherige Rettungsschirm eingeklappt, unter dem Griechenland seit dem Frühjahr 2010 vor der Pleite geschützt war. Seither erhielt das Land Hilfszusagen von 240 Milliarden Euro. Ohne Einigung auf ein neues Reformpaket dürfen aber die noch offenen Hilfen aus dem internationalen Hilfsprogramm nicht gezahlt werden. Die Geldgeber - Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und die Euro-Partner in Europa - hatten zuletzt rund 16 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Im Schreiben von Ministerpräsident Alexis Tsipras, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, Athen wolle die Hilfen ausschließlich zur Ablösung fälliger Schulden bis 2017 verwenden. Demnach geht es um ein Volumen von 29,145 Milliarden Euro. Daneben bittet er darum, dass die bisherigen Schulden beim früheren Rettungsfonds EFSF restrukturiert werden. Ferner strebt Athen eine Brückenfinanzierung an.

IWF-Rate bleibt offen

Die zum Dienstagabend fällige IWF-Rate in Höhe von 1,54 Milliarden Euro zahlte Griechenland nicht zurück. Die IWF-Führung sei darüber informiert worden, teilte ein Sprecher in der Nacht mit. Offiziell sprach der IWF von einem "Zahlungsrückstand". Griechenland könne erst dann neue IWF-Gelder erhalten, wenn die Rückstände bezahlt seien. Dem Sprecher zufolge bat die griechische Regierung zudem um eine Verlängerung der Frist bei der Schuldenrückzahlung. Die IWF-Spitze werde sich damit "zu gegebener Zeit" beschäftigen.

Die Regierung in Athen hatte angekündigt, die Zahlung nicht zu leisten. Griechenland ist damit das erste entwickelte Land, das seine IWF-Schulden nicht fristgerecht zurückzahlt.

Die Krise in Griechenland hatte sich in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt, griechische Bankkunden hoben aus Angst vor einer Staatspleite große Summen von ihren Konten ab. Um einen Zusammenbruch des Finanzsektors zu verhindern, verhängte die griechische Regierung am Sonntagabend Kapitalverkehrskontrollen und ordnete eine einwöchige Schließung der Banken an. Die griechischen Geldhäuser hängen am Tropf der Europäischen Zentralbank, die ihre Nothilfen zuletzt aber bei 90 Milliarden Euro deckelte. Dieser Finanzrahmen soll fast ausgeschöpft sein.

Nach dem Zahlungsausfall beim IWF könnten die europäischen Geldgeber theoretisch sämtliche Hilfskredite sofort zurückverlangen. Dies ist aber wenig wahrscheinlich, solange noch Hoffnung auf eine politische Lösung besteht. Die großen US-Ratingagenturen werten die Rückstände beim Währungsfonds nicht als Zahlungsausfall, da keine privaten Gläubiger betroffen sind. Allerdings stufte Fitch am Dienstag die Kreditwürdigkeit Griechenlands weiter in den Ramschbereich herab und begründete dies mit dem Scheitern der Verhandlungen mit den Geldgebern.