Das griechische Parlament hat der Abhaltung eines Referendums über die Forderungen der Gläubiger des hoch verschuldeten Landes zugestimmt. Für die Volksabstimmung votierten in der Nacht auf Sonntag in Athen 178 der 300 Abgeordneten. Regierungschef Alexis Tsipras hatte zuvor für das Referendum geworben und die Bevölkerung zu einem "großen Nein" zu den Forderungen der Gläubiger aufgerufen.

"Großes Nein zum Ultimatum"

Bei dem für kommenden Sonntag geplanten Referendum sollten die Griechen ein "großes Nein zum Ultimatum" der Gläubiger sagen, forderte Tsipras im Parlament. Zugleich sollten sie "ein großes Ja zu Europa und zur Solidarität" aussprechen. Der Regierungschef zeigte sich überzeugt, dass durch ein "stolzes Nein" die Verhandlungsposition Griechenlands gegenüber den Gläubigern gestärkt werden würde.

Laut dem offiziellen Ergebnis stimmten 120 Abgeordnete gegen das Referendum, zwei nahmen nicht an dem Votum teil. Eine erste Zählung von 179 Ja-Stimmen wurde nachträglich auf 178 korrigiert. Für den Plan der Regierung votierten neben Tsipras' Syriza-Partei auch Abgeordnete ihres rechtspopulistischen Bündnispartners Partei der Unabhängigen Griechen sowie der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte. Die Konservativen und die Sozialisten stimmten dagegen, auch die Kommunisten und die zentristische Potami-Partei waren gegen das Referendum.

Sparmaßnahmen ja oder nein

In dem Votum sollen die Griechen entscheiden, ob sie die von den Gläubigern im Gegenzug für neue Hilfen geforderten Sparmaßnahmen akzeptieren oder nicht. Grundlage ist ein am Freitag an Athen übermittelter gemeinsamer Forderungskatalog von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission. Dieser sieht laut Tsipras unter anderem "unakzeptable" Punkte wie Pensionskürzungen und eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel vor.

Der Ausgang des Referendums scheint ungewiss. In zwei noch vor der Referendums-Ankündigung abgehaltenen Umfragen sprach sich die Mehrheit der Griechen für eine Einigung mit den Gläubigern aus. So votierten auf die Frage "Wie würden Sie abstimmen, wenn es zu einem Referendum kommt?" 47,2 für ein Abkommen und 33 Prozent dagegen. Fast 20 Prozent zeigten sich in der Umfrage für die Wochenzeitung "Vima" unentschlossen.

Überraschendes Referendum

Tsipras hatte das Referendum überraschend in der Nacht auf Samstag angekündigt. Damit brüskierte er die anderen Euro-Staaten. Denn die Volksabstimmung ist erst für kommenden Sonntag geplant - eine Einigung hätte aber spätestens bis Dienstagabend gefunden werden müssen. Angesichts dessen beschlossen die Euro-Finanzminister, dass Athen der Geldhahn zugedreht werden soll. Bei einem Sondertreffen in Brüssel lehnten sie am Samstag eine Verlängerung des am 30. Juni auslaufenden Hilfsprogramms ab.

Am Samstag hoben Bankkunden Insidern zufolge bereits ungewöhnlich viel Geld von den Automaten ab. Die Banken des Landes sollen dennoch am Montag wie gewohnt öffnen. Kapitalverkehrskontrollen plant die Regierung in Athen nicht. Allerdings gehen Experten davon aus, dass diese noch nötig werden. Die griechischen Institute sind stark abhängig von Nothilfen der Zentralbank, die die EZB genehmigen muss.

Die Geldgeber wollen im Gegenzug für weitere Hilfen Reformen und Einsparungen durchsetzen, um die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Die Tsipras-Regierung ist aber mit dem Versprechen angetreten, den ungeliebten Sparkurs zu beenden.

Verstecken hinter dem Volk

Die Opposition in Griechenland warf Tsipras vor, sich hinter dem Volk zu verstecken. Er müsse selbst eine Entscheidung treffen und dafür eintreten, sagte der frühere Regierungschef Antonis Samaras. Außerdem ergebe das Referendum keinen Sinn, weil die Verhandlungen mit den Geldgebern beendet worden seien.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier übte in einem Gespräch mit der "Welt am Sonntag" Kritik an der griechischen Regierung. "Ich verstehe nicht, wie eine gewählte griechische Regierung seinem Volk empfiehlt, den europäischen Vorschlag abzulehnen und die Menschen in Griechenland damit in Geiselhaft nimmt, um Europa weitere Konzessionen abzutrotzen", sagte er. "Der Zickzackkurs der griechischen Regierung in den letzten Stunden und Tagen macht einen doch fassungslos."

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte nach dem Krisentreffen am Samstag: "Angesichts der Situation müssen wir mit Bedauern zu dem Schluss kommen, dass das Programm Dienstagnacht ausläuft." Damit würden bereitstehende Hilfen der Europäer und des Internationalen Währungsfonds für Athen von insgesamt gut 18 Milliarden Euro verfallen. Ende Juni muss Athen IWF-Kredite zurückzahlen. Über Konsequenzen berieten die anderen 18 Euro-Finanzminister anschließend ohne den griechischen Ressortchef Yanis Varoufakis.

Entscheidend wird jetzt sein, wie die Europäische Zentralbank reagiert. Nach Angaben von EU-Diplomaten wird die EZB noch am Sonntag beraten.