Rund ein halbes Jahr nach dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" steht Frankreich erneut unter Schock: Nach einem Angriff auf eine Fabrik für Industriegase bei Lyon wurde auf dem Gelände Polizeikreisen und französischen Medien zufolge ein abgetrennter Kopf gefunden. Er soll in ein Transparent mit arabischen Schriftzeichen eingehüllt gewesen sein.

Zuvor waren Unbekannte mit einem Auto auf das Fabrikgelände gerast und brachten Gasbehälter zur Explosion. Präsident Francois Hollande sprach von einem Terroranschlag. Ein Verdächtiger sei bereits festgenommen worden, er sei den französischen Geheimdiensten bekannt. Der Festgenommene hat einen terroristischen Hintergrund, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. Es gebe Verbindungen zur radikalislamischen Salafisten-Bewegung. Nach Angaben der Lokalzeitung "Dauphine Libere" wurde auch der mutmaßliche Fahrer des Tatfahrzeugs festgenommen.

Die Staatsanwaltschaft schickte Anti-Terror-Ermittler in den südostfranzösischen Ort Saint-Quentin-Fallavier. Der genaue Tatvorgang blieben vorerst unklar. So war ungewiss, ob das Todesopfer enthauptet wurde, bevor oder nachdem das Auto in die Industrieanlage raste. Ungeklärt war vorerst auch, ob sich das Opfer während des Anschlags überhaupt auf dem Gelände aufgehalten hat oder schon vorher getötet worden war. "Le Dauphine" berichtete, der abgetrennte Kopf sei auf einem Zaun entdeckt worden. Er sei mit einem Transparent mit arabischen Schriftzeichen bedeckt gewesen. Polizeikreise sprachen von islamistischen Parolen. Bei dem Anschlag wurden zudem zwei Menschen verletzt.

Innenminister Cazeneuve erklärte am Anschlagsort, der zuerst Festgenommene sei nicht vorbestraft. Er sei aber in der Vergangenheit vom Staatsschutz überwacht worden, weil die Gefahr einer Radikalisierung bestanden habe. Die Polizei habe inzwischen auch weitere Personen festgenommen, die der Komplizenschaft verdächtigt würden.

Hollande erklärte vom EU-Gipfel in Brüssel, es würden sämtliche Maßnahmen ergriffen, um weitere Anschläge zu verhindern. Der Bereich rund um die Fabrik wurde weiträumig abgesperrt. Die Anlage gehört dem US-Industriegasekonzern Air Products, wie eine Sprecherin des Unternehmens Air Liquide aus derselben Branche sagte. Welchen Hintergrund die Auswahl dieses Angriffsziel hat, blieb zunächst unklar.

Fabrik bei Google Streetview
Fabrik bei Google Streetview © Streetview

Air-Products-Chef Seifi Ghasemi stammt aus dem Iran. Das überwiegend schiitische Land ist ein erklärter Gegner der Extremistenorganisation "Islamischen Staat" (IS), die von sunnitischen Strömungen dominiert wird. Frankreich, das sich an dem Kampf gegen den IS im Irak beteiligt, gilt aber bereits seit langem insgesamt als Anschlagsziel der Extremisten. Laut Ministerpräsident Manuel Valls wurden allein seit den Pariser Anschlägen im Jänner bis April fünf weitere vereitelt.

EU-Staaten verurteilten die Bluttat. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte laut einer Aussendung: "Demokratische Gesellschaften wie unsere dürfen sich dadurch nicht einschüchtern lassen. Wir müssen weiterhin unsere Grundwerte mit Nachdruck verteidigen."

Die Fabrik von Air Products
Die Fabrik von Air Products © (c) Google

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere sicherte dem Nachbarstaat Frankreich die Solidarität Deutschlands zu. "Wir sind alle in Gedanken bei unseren französischen Freunden", sagte de Maiziere am Freitag in Mainz. Das Geschehen berühre ihn sehr.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy schrieb via Twitter, er verurteilte die Attacke auf das schärfste. "Die Demokraten werden immer gegen die Barbarei einstehen."