Russlands Präsident Wladimir Putin hält die Angst des Westens vor seinem Land für unbegründet. "Es gibt keinen Grund, vor Russland Angst zu haben", sagte Putin in einem am Samstag veröffentlichen Interview der italienischen Zeitung "Corriere della Sera".

Putin gibt allein Kiew die Schuld

Ein Angriff Russlands auf Mitglieder der NATO sei absolut unvorstellbar. "Die Welt hat sich derart verändert, dass sich zurechnungsfähige Menschen einen solchen militärischen Konflikt gar nicht mehr vorstellen können." Mit Blick auf die anhaltenden Kämpfe in der Ostukraine beschuldigte Putin die Regierung in Kiew, keinen Willen zur Umsetzung des Friedensabkommens von Minsk zu zeigen. Die ukrainische Seite verweigere sich Gesprächen mit den prorussischen Rebellen, sagte der russische Staatschef in dem Interview.

"Das Problem ist, dass sich die Vertreter der Kiewer Regierung nicht einmal mit ihnen an einen Tisch setzen wollen." Der Westen wirft Russland vor, die prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine militärisch zu unterstützen. Der Kreml bestreitet dies. "Wir wollen, dass die (Minsker) Vereinbarungen umgesetzt werden", erklärte Putin. Den Rebellen müsse eine Autonomie in den von ihnen kontrollierten Gebieten eingeräumt werden. Zudem forderte Putin ein Gesetz zur Organisation von Kommunalwahlen und eine Amnestieregelung.

Die Anführer der selbst ernannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk seien in diesem Fall bereit, ihre Gebiete als Teil der Ukraine zu betrachten, sagte Putin. Diese Haltung sei eine gute Basis für "ernsthafte Verhandlungen". Der russische Präsident forderte die Ukraine und die EU auf, mehr für das Konfliktgebiet Donbass zu tun. Es sei Aufgabe der ukrainischen Führung, die Menschen auf friedlichem Weg von den möglichen Vorzügen eines Lebens in dem Land zu überzeugen, sagte Putin. "Es ist aber unmöglich, diese Menschen mit Hilfe von Waffen zu überzeugen."

"Eigennützige EU-Politik"

Die USA und die EU müssten zudem Druck auf die Ukraine für eine Umsetzung des Friedensplanes von Minsk ausüben. Einen Dialog der ukrainischen Regierung mit dem Aufständischen im Donbass könnten nur die Europäer und die Amerikaner durchsetzen, meinte Putin. Einmal mehr warf der Kremlchef dem Westen eine gegen Russland gerichtete Politik vor. Die NATO etwa bewege sich immer näher an die Grenze der Atommacht. In Norwegen etwa seien Raketen stationiert, die Russland innerhalb von 17 Minuten erreichen könnten.

Mit Blick auf die US-Raketenabwehrpläne in Europa sagte Putin, dass sein Land Fortschritte mache, diese Anlagen bei Gefahr auszuschalten. Der EU kreidete Putin eine eigennützige Politik an, die die Interessen Russlands beim Aufbau einer Eurasischen Wirtschaftsunion außer Acht lasse. "Wenn die Länder Europas sich zusammenschließen, ist das normal, aber wenn wir auf postsowjetischem Gebiet das auch tun, wird versucht, dies als Streben Russlands nach einem Wiederaufbau irgendeines Imperiums zu erklären", sagte Putin.

Der Kreml veröffentlichte den Text des Interviews am Samstag vor einem Expo-Besuch Putins in Mailand am kommenden Mittwoch. Italien ist nach dem G-7-Gipfel in Bayern das erste Land der Gruppe großer westlicher Industrienationen, das Putin besucht. Auch ein Treffen mit dem Papst ist im Vatikan geplant. Dem Vernehmen nach soll Putin auch den italienischen Regierungschef Matteo Renzi in Rom treffen.