Angesichts des weiteren Vormarschs der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) schwindet in Washington offenbar die Geduld: US-Außenminister Ashton Carter warf den irakischen Streitkräften am Sonntag nach dem Fall der Provinzhauptstadt Ramadi mangelnde Kampfmoral vor. Die Antwort aus Bagdad ließ nicht auf sich warten: Regierungschef Haider al-Abadi sagte dem Rundfunksender BBC, Carter habe wohl "ungenaue Informationen" vorliegen.

Irak ist "überrascht"

In Syrien griff die Luftwaffe die IS-Miliz bei Palmyra an. "Die irakischen Truppen haben offensichtlich keinen Kampfwillen gezeigt", sagte Carter dem US-Sender CNN. "Sie waren dem Gegner zahlenmäßig deutlich überlegen, sie kämpften aber nicht, sondern zogen sich zurück." Der irakischen Armee mangele es an dem Willen, "den IS zu bekämpfen und sich selbst zu verteidigen", kritisierte Carter. Es war die schärfste Kritik eines US-Ministers an Bagdad seit Monaten.

Die Strategie der von den USA angeführten Militärkoalition gegen den IS sei trotz der jüngsten Rückschläge in Ramadi sowie in der syrischen Wüstenstadt Palmyra nach wie vor wirkungsvoll, sagte Carter. Entscheidend sei aber der Einsatz der irakischen Bodentruppen. "Sie müssen den IS besiegen und in Schach halten." Er sei "überrascht" von Carters Worten, sagte Regierungschef Abadi der BBC. "Ich bin sicher, dass er ungenaue Informationen erhalten hat." Abadi kündigte für die kommenden Tage eine weitere Offensive in der Provinz Anbar an, deren Hauptstadt Ramadi ist. Die Dschihadisten hatten Ramadi vor einer Woche eingenommen.