Die EU-Kommission hat am Mittwoch bei der Präsentation ihrer Migrationsagenda erstmals konkrete Zahlen zur Flüchtlingsaufnahme in Österreich genannt. Österreich soll demnach 444 bereits von der UNO anerkannte Flüchtlinge (etwa Syrien-Flüchtlinge aus Camps im Libanon oder der Türkei) aufnehmen. Der Plan sieht zudem vor, dass Österreich einen Prozentsatz von 2,62 Prozent der neu an der EU-Außengrenze ankommenden Flüchtlinge aus Konfliktgebieten aufnehmen soll.

Insgesamt will die EU-Kommission 20.000 von der UNO bereits anerkannte Flüchtlinge im Rahmen eines EU-weiten Resettlement-Programmes unter den EU-Staaten verteilen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks haben 3,9 Millionen Flüchtlinge das Bürgerkriegsland Syrien verlassen, davon sind rund 1,7 Millionen in die Türkei geflohen und 1,2 Millionen in den Libanon, Europas Beitrag fällt also bescheiden aus.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht in dem von der EU-Kommission vorgelegten Plan für neu in Europa ankommende Flüchtlinge eine "massive" Entlastung für Österreich. "Nach diesem Modell hätte Österreich zwei Prozent aller Flüchtlinge in Europa zu versorgen - derzeit versorgen wir rund fünf Prozent," hieß es in einem schriftlichen Statement Mikl-Leitners.

Details müssten jetzt rasch geklärt werden, sagte die Innenministerin. "Das ist beachtlich und da darf man sich auch kurz freuen darüber. Aber das war's auch schon," forderte Mikl-Leitner. Sie hoffe auf eine schnelle Umsetzung. Europaparlament und Mitgliedstaaten müssen dem Paket noch zustimmen (15 Länder, 65 Prozent der Bevölkerung). Mehrere Staaten haben das bereits abgelehnt.

"Wir wollen die Worte der Solidarität in Taten umwandeln", sagte der Kommissionsvize Frans Timmermans am Mittwoch bei der Vorstellung der sogenannten EU-Migrationsagenda in Brüssel. Ende Mai will die EU-Kommission vorschlagen, erstmals einen Notfallmechanismus nach Artikel 78(3) des EU-Vertrags zu aktivieren. Dazu will die EU-Kommission einen "temporären Verteilungsschlüssel" für Schutzbedürftige vorschlagen. Ein Vorschlag für ein permanentes EU-System zur Aufteilung von Schutzbedürftigen im Notfall will die EU-Kommission bis Jahresende vorlegen.

Marine-Einsatz gegen Schlepper

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erwartet am Montag grünes Licht der EU-Außen- und Verteidigungsminister für den geplanten EU-Marineeinsatz vor Libyen zur Bekämpfung von Schleppern. Mogherini sagte weiters, am Montag sollten das Hauptquartier und der Kommandant der Mission sowie die weitere Planung angegeben werden. Dies würde es ermöglichen, dass der EU-Gipfel Ende Juni den Startschuss für die Marineoperation der Europäischen Union gebe. Sie hoffe, dass der UNO-Sicherheitsrat bis dahin eine Resolution verabschiede, die es der EU erlaube, "das Geschäftsmodell der Schlepper zu zerstören". Ein Datenaustausch und die Zusammenarbeit der Geheimdienste könnten bereits vorher stattfinden.

Mogherini bekräftigte, dass die EU keine Militärintervention in Libyen beabsichtige, sondern einen Marineeinsatz in Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden. Dies habe sie auch bereits vor dem UNO-Sicherheitsrat klar gemacht. Auf die Frage, ob Soldaten nach Libyen geschickt würden, habe sie bereits "eindeutig nein" geantwortet.

Notfallmechanismus

Die Kommission hat am Mittwoch einen Schlüssel basierend auf Bevölkerungszahl, Bruttoinlandsprodukt (Gewichtung je 40 Prozent) sowie der durchschnittlichen Zahl an Asylanträgen und freiwillig aufgenommener Flüchtlinge und der Arbeitslosenrate (Gewichtung je 10 Prozent) vorgeschlagen. Dieser soll sowohl bei der Anwendung des "Notfallmechanismus" für den Fall eines "plötzlichen Zustroms " als auch für das Resettlement gelten.

Um umgesetzt zu werden, müssen die EU-Mitgliedsstaaten dem Plan noch mit qualifizierter Mehrheit (15 Mitgliedsstaaten, mindestens 65 Prozent der Bevölkerung) zustimmen. Mehrere Staaten darunter Großbritannien, Ungarn, Tschechien oder die Slowakei haben dies bereits abgelehnt.

Ebenfalls Ende Mai wird die EU-Kommission ein EU-weites Resettlement-Programm zur Verteilung von 20.000 Flüchtlingen auf alle EU-Staaten vorschlagen. Dazu will die EU-Behörde außerdem 50 Millionen Euro für 2015 und 2016 locker machen.

Mehrheitlich Lob

Österreichische EU-Abgeordnete haben sich am Mittwoch mehrheitlich für eine Quote zur Aufteilung von Flüchtlingen in Europa ausgesprochen. "Wir begrüßen die Pläne der EU-Kommission. Widerstand einzelner Staaten gegen eine Flüchtlingsaufteilung ist unsolidarisch", sagte der ÖVP-Europaabgeordnete Heinz Becker. "Offensichtlich begreift die EU-Kommission das Scheitern von Dublin und beginnt allmählich davon abzurücken", sagte der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer. "Die EU-Kommission darf vor der Politik nach dem Florianiprinzip einiger Regierungschefs, die keine solidarische und gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik wollen, nicht in die Knie gehen", betonten der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon und die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun. Auch die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar begrüßte den Vorschlag der EU-Kommission. Der freiheitliche Delegationsleiter im EU-Parlament und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sprach sich vehement gegen eine EU-Quotenregelung aus. "Durch die derzeitigen Rettungsaktionen der EU im Mittelmeer darf die Asylprüfung nicht umgangen werden", forderte er in einer Aussendung. Österreich werde wieder extrem schlecht aussteigen.

Bomben gegen Boote?

Kritik übten EU-Abgeordnete an der geplanten EU-Marinemission vor Libyen im Kampf gegen Schlepper. Weidenholzer bezeichnete das militärische Vorhaben als "geradezu absurd und zynisch". Der SPÖ-EU-Abgeordnete kann sich nicht vorstellen, dass es dafür ein UNO-Mandat geben wird. Die Zerstörung von Booten würde lediglich dazu führen würde, dass Schutzsuchende dem fundamentalistischen Terror ausgeliefert bleiben.

"Der gefährliche Unfug, militärisch gegen Flüchtlingsschiffe vorzugehen und damit Schutzsuchenden auch noch die letzte Möglichkeit zu rauben, sicheren Boden zu erreichen, muss sofort eingestellt werden", forderte Reimon. "Mit diesem beschämenden Vorschlag wird kein einziger Fluchtgrund angegangen, sondern nur Placebopolitik betrieben. Davor warnt auch die UNO."