Österreich will den grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug, Karussellbetrug genannt, bekämpfen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat sich dazu heute mit den Amtskollegen aus Tschechien, der Slowakei, Bulgarien und Ungarn in Wien getroffen. Laut Schelling liegt der Schaden allein in Österreich bei "mehreren hundert Millionen Euro". Österreich will sich als "Pilotland" anbieten.

Tschechiens Finanzminister Andrej Babis schätzte in der gemeinsamen Pressekonferenz, dass den Staatskassen der EU-Länder jährlich 50 Mrd. Euro entgehen. "Hier liegt sehr viel Geld", so Babis. Beim Karussellbetrug wirken mehrere Firmen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zusammen, wobei einer der Händler der Lieferkette die von seinen Abnehmern bezahlte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt. In Tschechien beträgt die Lebenszeit solcher Scheingesellschaften im Schnitt 23 Tage, der Rekord liegt bei acht Stunden, sagte Babis.

Schuldumkehr

Derzeit muss in der EU der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Lieferanten zahlen, dieser zahlt die geschuldete Umsatzsteuer an das Finanzamt und der Leistungsempfänger erhält den gleichen Betrag vom Finanzamt als Vorsteuer gutgeschrieben. Schelling will mit den Amtskollegen nun die Steuerschuld umkehren. Beim sogenannten "Reverse Charge Mechanismus" schuldet nicht der leistende Unternehmer die Steuer, sondern die Steuerschuld geht auf den Leistungsempfänger über. Steuerschuld und Vorsteuerabzugsberechtigung fallen dann in der Person des Leistungsempfängers zusammen und saldieren sich, sodass seine Steuerschuld null ist.

Österreich hatte schon 2005 und 2008 versucht, die Steuerschuld umzukehren, war aber jeweils am Widerstand der EU gescheitert. Die EU-Kommission sei wegen Gefahren beim Endverbraucher noch nicht davon überzeugt, dass Reverse Charge das richtige Instrument ist, außerdem sei die Steuerumkehr aus Brüsseler Sicht weiter betrugsanfällig, so Schelling. Deshalb will sich der österreichische Finanzminister für ein Pilotprojekt zur Verfügung stellen, um Erfahrungen zu sammeln. Der Test könnte innerhalb von 24 Monaten umgesetzt werden.

Zustimmung

Schelling braucht dafür aber die Zustimmung der EU-Kommission, bei Mehrwertsteuer-Angelegenheiten hat derzeit nämlich die EU das alleinige Sagen. Schelling fordert mit den Kollegen, dass die Kompetenz zum Teil an die Mitgliedsstaaten übergeht. Das beschlossene Positionspapier soll in den nächsten Tagen in Brüssel eingehen. Bis Juni will er eine Entscheidung von der Kommission. Das Thema stehe immerhin seit zehn Jahren zur Entscheidung an.

Laut Schelling wird die gemeinsame Initiative von Österreich und Tschechien von rund zehn Ländern unterstützt, darunter sind auch die baltischen Staaten, die Niederlande, Italien und Deutschland. Unterschiedliche Ansichten gibt es noch bei der Grenze, ab der das neue System gelten soll. Bulgariens Finanzminister, Vladislav Goranov, meinte, eine niedrigere Schwelle wäre besser. Die Rede war von 5.000 oder 10.000 Euro.