Verspottet von den Medien, beschimpft von seinen Gegnern und chronisch unterschätzt hat Ed Miliband doch echte Chancen, Großbritanniens nächster Premier zu werden. Während die konservativen britischen Medien sich endlos über seine näselnde Stimme und seine Mimik lustig machen, beschimpft ihn Premierminister David Cameron, als "wertlos", "schwach" und "verantwortungslos".

Prominente Wirtschaftsführer warnten gar vor einer "Katastrophe", sollte Miliband bei der Wahl am 7. Mai an die Macht gelangen.

Trotz alledem liegt die oppositionelle Labour-Partei in Umfragen kurz vor der Abstimmung gleichauf mit den konservativen Tories von Cameron. Ein Wahlsieg ist zwar weiter ungewiss, auch drohen schwierige Koalitionsverhandlungen, da Labour womöglich stärkste Kraft werden, aber kaum eine absolute Mehrheit im Parlament von Westminster erreichen wird. Doch für den 45-jährigen Sozialdemokraten Miliband ist ein Einzug in den Amtssitz des Regierungschefs in Downing Street Nummer 10 nicht mehr ausgeschlossen.

Polit-Debatten standen an der Tagesordnung

Miliband stammt aus einer politisch engagierten Familie, in der Debatten über Politik an der Tagesordnung waren. Sein Vater Ralph war 1940 als polnischer Jude aus Belgien nach London geflohen, wo er ein offenes Haus betrieb, in dem Sozialisten aus aller Welt verkehrten. Seine beiden Söhne David und Ed ermutigte er früh, sich an den Diskussionen zu beteiligen. Nach einem Wirtschaftsstudium in Oxford arbeitete Miliband kurzzeitig in einer Fernsehshow, wo er Fragen für die Gäste aus der Politik vorbereitete.

Im Jahr 1994 ging er dann zur Labour-Partei, die drei Jahre später mit Tony Blair an der Spitze die Wahl gewann. Heute sagt Miliband über die damalige Regierungszeit, es habe zu große Ungleichheit gegeben und seine Partei habe sich zu wenig dafür interessiert. Blairs wirtschaftsfreundlichen Kurs sieht Miliband allgemein kritisch und scheut nicht davor zurück, für eine aktive Umverteilungspolitik zu plädieren. Dies hat ihm die Unterstützung der Gewerkschaften eingebracht, ebenso wie den mit Vorliebe von der konservativen Presse verwendeten Namen "Red Ed" (Roter Ed).

"Die Leute unterschätzen mich"

Nachdem Cameron die Labour-Partei 2010 von der Macht vertrieben hatte, übernahm Miliband die Parteiführung. In einem Drama, das einer griechischen Tragödie würdig war, setzte er sich im Kampf um den Vorsitz gegen seinen älteren Bruder David durch. Während in der Öffentlichkeit bis heute Zweifel an seiner Kompetenz vorherrschen, verlor Miliband nie den Glauben an sich selbst. "Die Leute unterschätzen mich", sagte er einmal. "Lasst sie mich unterschätzen. Ich bin der Mann, den es als Premierminister braucht."

Heute ist seine Führungsstellung in der Labour-Partei unumstritten. Auch viele Experten glauben, dass er zu Unrecht gering geschätzt werde. "Trotz der Schläge, die er einstecken musste, verliert er nie die Hoffnung. Er ist aus Stahl", sagt der Politikwissenschafter Iain Begg. Er habe sogar seinem Bruder einen Dolchstoß versetzt, um an die Parteiführung zu gelangen. Dies könne nicht jeder. Im Wahlkampf überraschte der sonst so oft belächelte Politiker mehrfach die Öffentlichkeit mit packenden Reden und überzeugenden Fernsehauftritten.

Höhere Steuern für Reiche

Dabei wetterte der Sozialdemokrat gegen die Sparpolitik und die wachsende Ungleichheit im Land. "Ich will ein prosperierendes Vereinigtes Königreich aufbauen, in dem alle einen fairen Anteil haben", verkündete er. Dafür will er die Steuern für die Reichen erhöhen und die Mittelschicht entlasten. Zudem kritisierte er den "kleingeistigen Isolationismus" Camerons, der unter dem Druck der Europaskeptiker ein Referendum über den Verbleib in der EU angekündigt hat. Für den überzeugten Europäer Miliband steht die EU-Mitgliedschaft nicht zur Debatte.