Der ukrainische Oligarch Dimitri Firtasch wird nicht an die USA ausgeliefert. Das von der USA beantragte Auslieferungsbegehren sei "auch politisch motiviert" gewesen, hieß es laut Sprecherin Christina Salzborn in der Begründung des Straflandesgericht Wien Donnerstagabend. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein. Firtasch steht unter Bestechungsverdacht bei einem Titan-Förderprojekt in Indien.

Zudem stellte das Gericht in seiner Urteilsbegründung fest, dass bestimmte Unterlagen von den USA nicht übermittelt worden seien, teilte Salzborn der APA weiter mit. Die von Firtasch hinterlegte Kaution in Höhe von 125 Millionen Euro bleibe liegen. Ferner sei die Weisung erteilt worden, dass Firtasch Österreich zwar verlassen könne, er müsse aber über seine Anwälte für die Justizbehörden erreichbar sein. Die heutige Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

"Ich habe bereits mehrfach mein Vertrauen in die österreichische Justiz zum Ausdruck gebracht. Dieses Vertrauen hat sich heute als berechtigt erwiesen", ließ der 49-Jährige am Donnerstagabend über seine Anwälte per Aussendung mitteilen. Zudem werde er "vorerst in Wien verbleiben und die Rechtskraft des Urteils abwarten". Der Gasmilliardär war im März 2014 auf Grundlage eines US-Haftbefehls in Wien am hiesigen Sitz seiner Firma verhaftet worden.

Dass das US-Verfahren "politisch motiviert" sei, hatte Firtasch schon mehrmals betont. Die gegen ihn vorgebrachten Schmiergeldvorwürfe seien "völlig absurd". Der Staatsanwaltschaft von Chicago zufolge soll Firtasch 18,5 Millionen US-Dollar (16,36 Mio. Euro) Schmiergeld an Politiker gezahlt haben, um Lizenzen für ein Titan-Minenprojekt im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh zu erhalten. Der Deal war schlussendlich nicht zustande gekommen.

Firtasch galt einst als enger Vertrauter des gestürzten Moskau-freundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Nach dem Sturz stellte er sich aber hinter die neue Führung - nach Medienberichten soll er nach seiner Enthaftung in Wien im Vorjahr auch Besuch vom damaligen Präsidentschaftskandidaten und nunmehrigen Staatschef Petro Poroschenko erhalten haben. Zuletzt sorgt Firtasch in Österreich politisch für Aufregung, weil er mit seinem Geld die Gründung des Thinktanks "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" finanzierte, der vom früheren Vizekanzler Michael Spindelegger geleitet wird.

Ein Vermögen machte Firtasch mit dem Import von russischem Gas. Einst wurde es auf bis zu 3,3 Milliarden Dollar (3,0 Mrd. Euro) geschätzt. Durch die jüngsten politischen Turbulenzen dürfte der Wert seiner Firmenbeteiligungen im Gas-, Banken-, Chemie und Mediensektor aber massiv geschrumpft sein. Die ukrainische Forbes-Ausgabe schrieb im April 2015 nur noch von 270 Millionen Dollar, verglichen mit 673 Millionen Dollar im Jahr 2013.

Reaktionen

Der Parlamentsabgeordnete (Block Petro Poroschenko) Mustafa Najem beklagt sich auf Facebook über die Naivität der österreichischen Richter: "Als Bürger eines demokratischen Staates achten wir natürlich diese Gerichtsentscheidung. Im Rahmen der Meinungsfreiheit müssen wir jedoch konstatieren, dass die österreichischen Richter wie naive Anfänger ausgetrickst und betrogen worden sind. Insgesamt war das Unsinn."

Der Publizist Serhij Iwanow schreibt in im seinem Ukrajinska-Prawda-Artikel "Firtasch als Spiegel der politischen Prostitution" über negative Auswirkungen des Wiener Verfahrens für die Ukraine: "Heute hat Firtasch, sprich Russland, mit einem Team berühmter Cheerleader und auch angesichts einer nie da gewesenen Unanständigkeit von Poroschenko-Leuten einen wichtigen Sieg errungen. Dieser wird für die Ukraine sehr teuer werden - für die Reputation des Landes, aber auch was finanzielle Aspekte betrifft."

Parlamentsabgeordneter Serhij Sobolew von der Julia Timoschenko-Partei "Batkiwschtschyna" kritisiert die Selbstdarstellung Dimitri Firtasch' im Wiener Verfahren als Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch: "Firtasch stellt sich nun als Hauptheld der Revolution der Würde (im Februar 2014, Anm.) dar. [...] Derart auf den Knochen jener zu trampeln, die wirklich während der Revolution zu Tode kamen, und angesichts jener, die im Kampf für Würde und Freiheit der Ukraine zu Schaden gekommen sind - mehr Zynismus hätte man sich von Firtasch kaum erwarten können."

Die Fernsehjournalistin Natalija Fibrih vom ukrainischen Sender "1+1" (im Besitz von Oligarch Ihor Kolomojskyj) wundert sich über die mittlerweile unübliche Einladung einer ganzen Journalistengruppe zur Gerichtsverhandlung nach Wien. "Wir leben in einem interessanten Land. Es gibt keinen Journalistenpool des Präsidenten mehr, auch nicht beim Außenminister, wenn er irgendwo hinfliegt, um Fragen von Krieg und Frieden zu lösen. Aber wenn Firtasch vor Gericht steht, dann gibt es einen Pool."

Der Politologe Wiktor Schlintschak vom ukrainischen Thinktank "Institut für globale Politik" prognostiziert nunmehr Ungemach Firtaschs in der Ukraine selbst: "Es war für Firtasch sehr wichtig, diese Causa auf eine politische Ebene zu transferieren. Dabei geht es um den Verdacht von Wirtschaftsverbrechen. [...] Ich denke, dass es gegen Firtasch eine Fülle an Dingen gibt, die man in der Ukraine aufdecken könnte und wozu bisher einfach niemand gekommen ist. [...] Für Firtasch wird es sehr schwer sein sich hier zu verteidigen, er hat keine normale Parlamentsfraktion mehr, nur maximal 15 Abgeordnete auf seiner Seite."