Die Europäische Union hat die krisengeschüttelte Ukraine zu dringend benötigten Reformen aufgerufen. Die Ex-Sowjetrepublik könne auf ihre Freunde zählen, doch das sei nicht genug, sagte Ratspräsident Donald Tusk bei einem EU-Ukraine-Gipfeltreffen am Montag in Kiew. "Europa kann für die Ukraine nicht die ganze Arbeit machen", mahnte er.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko forderte eine klare EU-Beitrittsperspektive für sein Land, eine Aufhebung der Visa-Pflicht sowie eine aktivere Rolle Brüssels im Friedensprozess für das Kriegsgebiet Donbass.

Es war der erste EU-Ukraine-Gipfel seit der Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens zwischen Kiew und Brüssel im Juni 2014. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte an, das mit dem Vertrag verbundene Freihandelsabkommen solle am 1. Jänner 2016 in Kraft treten.

Staatsbankrott droht

Dies war auf Druck Russlands zunächst aufgeschoben worden. Die Führung in Moskau befürchtet unter anderem, dass durch das Abkommen günstige europäische Waren den russischen Markt überschwemmen und heimischen Herstellern Konkurrenz machen könnten. Poroschenko forderte die EU-Staaten auf, das Partnerschaftsabkommen zu ratifizieren. Juncker sagte, er halte es für keine gute Idee, das Inkrafttreten erneut aufzuschieben.

Tusk kündigte eine EU-Mission an, die ermitteln soll, welche Hilfe die vom Staatsbankrott bedrohte Ukraine benötigt. Juncker betonte, die ukrainischen Reformen würden schmerzhaft, aber sie seien notwendig. Er forderte einen entschlossenen Kampf gegen Korruption. Die Organisation Transparency International stuft die Ex-Sowjetrepublik nur auf Rang 142 von 174 in Sachen Korruption ein.

Den Bau einer neuen Schutzhülle für das 1986 explodierte Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine unterstützt die EU mit weiteren 70 Millionen Euro. Die Europäische Union wolle helfen, die Finanzierungslücke bei dem Projekt zu schließen, sagte Juncker.

Vor dem Treffen legte Tusk in der Nähe des Unabhängigkeitsplatzes (Maidan) in Kiew einen Kranz für die Opfer der prowestlichen Massenproteste vor gut einem Jahr nieder. "Sie haben mächtige Feinde, aber gleichzeitig haben Sie viele Freunde", sagte er den Ukrainern bei der Zeremonie mit Blick auf den Konflikt mit Russland.

Waffenruhe gebrochen

Die Gespräche in Kiew wurden überschattet von wiederholten Verstößen gegen die Waffenruhe im Kriegsgebiet Donbass. Die Armee sowie die prorussischen Separatisten berichteten von jeweils einem getöteten Kämpfer innerhalb von 24 Stunden. Zudem teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit, bei der Ortschaft Schyrokyne in der Nähe der Hafenstadt Mariupol habe der gegenseitige Beschuss zugenommen.

Poroschenko bekräftigte seine Entschlossenheit zu einer friedlichen Lösung des Konflikts mit den Aufständischen. "Wir wollen Frieden, keinen Krieg", sagte er. Die Separatisten und Russland werfen der Ukraine vor, den Friedensplan für den Donbass nicht zu erfüllen und das von den Aufständischen kontrollierte Gebiet mit Gewalt zurückerobern zu wollen.