INNA HARTWICH

Bei manchen klopfen sie an die Tür. „Du weißt, wen du zu wählen hast!“, sagen sie. Oder: „Du wählst den Präsidenten, verstanden?“ So erzählen es viele Kasachen dieser Tage. „Sie“, das sind Männer in schwarzen Lederjacken. Sie stellen sich nicht vor. Sie überbringen schroff ihre Botschaft und gehen. Zurück bleiben Menschen, die verängstigt sind und morgen zur Wahl gehen, um einem Mann ihre Stimme zu geben: Nursultan Nasarbajew, seit 1991 Präsident des öl- und gasreichen Landes in der zentralasiatischen Steppe. Der „Führer der Nation“, wie sich der 74-Jährige nennen lässt, dürfte auch aus diesen, um ein Jahr vorgezogenen Wahlen als Sieger hervorgehen. Vor vier Jahren bekam er 95,5 Prozent der Stimmen. Eine Huldigungsübung. Mögliche Konkurrenz lässt er ausschalten.

Mit einem Sieg, den ihm niemand bestreitet, gewinnt Nasarbajew Zeit, um eine geordnete Machtübergabe vorzubereiten. Seine Töchter kommen nicht infrage, die Schwiegersöhne, mit denen er zum Teil im Clinch liegt, ebenfalls nicht. Einen ehemaligen Schwiegersohn, Rachat Alijew, hat man unlängst in seiner Zelle im Wiener Straflandesgericht erhängt aufgefunden.
Russland liegt viel an einem „Weiter wie bisher“ der Kasachen. Moskau braucht starke Partner und bindet das Steppenland über die Eurasische Union an sich. Die Kasachen, um Unabhängigkeit vom großen Nachbarn bemüht, suchen aber auch die Nähe zur EU. Zu Jahresbeginn brachten Vertreter der EU und Kasachstans ein erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen auf den Weg. Nasarbajew sieht unterschiedliche Demokratiemodelle und setzt auf wirtschaftliche Entwicklung.
Seine Gegenkandidaten sind Strohmänner. Türgun Sysdykow von den Kommunisten kritisiert den Westen und will das Fast Food abschaffen. Der parteilose Gewerkschaftschef, Abelgasi Kussainow, setzt sich für Umweltschutz ein, in Kasachstan – trotz der großen Verseuchung durch jahrzehntelange Atomtests in der Steppe – ein Randthema.
Eine unabhängige Presse ist mundtot gemacht. Nach den Ölarbeiterstreiks vor zwei Jahren hatte das Regime den Druck auf Andersdenkende verstärkt. Selbst Jugendgruppen, die sich gegen Korruption an Schulen und Universitäten einsetzten, bekamen ihn zu spüren. Der autoritäre Machthaber kann sich nahezu uneingeschränkt als Garant der Stabilität und Integrationsfigur inszenieren. In der neuen Verfassung von 2010 ist die Wiederwahlbeschränkung für den „Ersten Präsidenten“ aufgehoben. Viele im Land erinnern sich kaum daran, wie es vor Nasarbajew war, der bereits als Generalsekretär der Kommunistischen Partei die kasachische Sowjetrepublik führte. Viele wollen es sich auch nicht vorstellen, wie es nach Nasarbajew sein könnte. „Er ist ein guter Mann“, sagen viele Kasachen, vor allem die älteren, die in den Dörfern und Kleinstädten leben. Jede Art von Veränderung bedeutet für sie ein hohes Risiko. Eingehen will das kaum einer im Land.