Angesichts des Flüchtlingsstroms aus Syrien in die Nachbarländer haben österreichische EU-Politiker vor einer neuen Katastrophe im Libanon gewarnt. Dieser stehe nämlich "kurz vor der großen Katastrophe", sagte der EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer (SPÖ) am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem grünen EU-Parlamentarier Michel Reimon und Vertretern der Diakonie in Wien.

Laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR befinden sich 1,2 Millionen Flüchtlinge im Sechs-Millionen-Einwohner-Staat Libanon - die Dunkelziffer ist laut Reimon weitaus höher. Das Land "kann damit schlicht nicht fertig werden", betonte Weidenholzer. Der EU-Politiker, der vor kurzem mit Reimon das Land besuchte, erinnerte an den Bürgerkrieg im Libanon vor 40 Jahren. Dieser sei unter anderem dadurch ausgelöst worden, dass der Libanon mit den palästinensischen Flüchtlingen "nicht mehr zurande" kam, erklärt der Weidenholzer. Das Land stehe kurz vor einer ähnlichen "Katastrophe".

Um eine solche Katastrophe abzuwenden sei vor allem die Europäische Union gefragt, betonte Reimon und forderte entsprechende Maßnahmen. "Die EU hat 100 mal mehr Einwohner als der Libanon, hat ein 300 Mal größeres Bruttoinlandsprodukt und 400 Mal mehr Fläche als der Libanon und der Libanon hat 15 mal mehr Flüchtlinge aufgenommen."

Die EU stecke drei Mal mehr Gelder in Flüchtlingsabwehr als für den Schutz von Flüchtlingen - das sei "beschämend", kritisierte auch Christoph Riedl vom Diakonie Flüchtlingsdienst. Obwohl Österreich mit der zugesagten Aufnahme von insgesamt 1.500 Flüchtlinge EU-weit im Spitzenfeld liege, sei das nur "Tropfen auf dem heißen Stein". Auch blockiere das Außenministerium notwendige Betreuungs-und Integrationsleistungen für kommende Flüchtlinge, kritisierte Riedl.

Österreich hatte angekündigt insgesamt 1.500 syrische Flüchtlinge durch ein Resettlement-Programm aufzunehmen. Bisher sind davon laut Angaben des Innenministeriums vom Mittwoch 716 angekommen. Davon seien 504 Flüchtlinge aus dem ersten Kontingent, 212 wurden im Rahmen des zweiten Kontingents durch kirchliche Organisationen geholt.

Von den 600 Flüchtlingen, die Mithilfe des UNHCR nach Österreich gebracht werden sollen, ist bis jetzt noch kein einziger nach Österreich gekommen. Die ersten 45 werden laut UNHCR im April erwartet. Möglich machen dies auch finanzielle Hilfen der EU in Höhe von 64 Millionen Euro, wovon sechs für syrische Flüchtlinge bestimmt sind. Die Zusagen für die Finanzmittel seien am vergangenen Donnerstag im Außen- und Innenministerium eingetroffen, hieß es aus dem Innenministerium gegenüber der APA.

Reimon kritisierte aber auch die libanesische Regierung, die einfach "wegschaut". So wehrt sie sich Flüchtlingslager offiziell anzuerkennen. "Für den Libanon sind dies offiziell keine Lager und werden somit nicht versorgt, das sind einfach nicht registrierte, informelle Siedlungen", beschreibt Reimon die Situation vor Ort.