Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm werden trotz einer verstrichenen Frist fortgesetzt. Die Gespräche zwischen der Islamischen Republik und den USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland wurden in der Nacht auf Mittwoch im schweizerischen Lausanne unterbrochen und sollen im Laufe des Tages wieder aufgenommen werden.

"In greifbarer Nähe"

Der Iran und Russland äußerten sich optimistisch, dass eine Einigung auf Eckpunkte in greifbarer Nähe liege. Wichtige Einzelheiten sind aber weiter offen.

Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif sagte: "Wir haben einiges erreicht. Ich hoffe, wir können die Arbeit am Mittwoch zu Ende führen." Die Verhandlungen sollen um 08.00 Uhr weitergehen. Nach Angaben Russlands ist gar eine grundsätzliche Einigung erzielt worden.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Tass, man habe sich in allen wichtigen Punkten prinzipiell geeinigt. "Wir können mit relativer Sicherheit sagen, dass wir auf Ministerebene eine grundsätzliche Einigung in allen Schlüsselfragen eines finalen Abkommens erzielt haben", zitierte die Nachrichtenagentur RIA Novosti Lawrow. Dieses Abkommen werde nun "innerhalb der kommenden Stunden oder eines Tages auf Papier gebracht".

"Noch nicht alle Fragen geklärt"

Ein US-Regierungsvertreter widersprach dieser Darstellung umgehend. Es seien noch nicht "alle Fragen" geklärt, sagte der Vertreter der Nachrichtenagentur AFP.

Französischen Verhandlungskreisen zufolge kehrte Außenminister Laurent Fabius in seine Heimat zurück. Er werde wieder nach Lausanne kommen, wenn es "sinnvoll" sei. Unklar war, ob die Abreise ein Zeichen für größere Probleme in den Verhandlungen ist. US-Präsident Barack Obama hielt unterdessen eine Video-Konferenz mit seinem nationalen Sicherheitsteam.

Die fünf UNO-Vetomächte und Deutschland wollen verhindern, dass der Iran Nuklearwaffen entwickelt und dafür eine Einschränkung des Atomprogrammes erreichen. Im Gegenzug sollen Wirtschaftssanktionen gelockert werden. Der Iran hat stets erklärt, dass das Programm nur der Stromerzeugung und der Forschung diene. Internationale Kontrollore lehnt die Regierung aber ab. Die Verhandlungspartner hatten sich eigentlich bis Dienstag Mitternacht Zeit gegeben, um eine Vereinbarung zu erzielen.

Das US-Außenministerium hatte vor der Verhandlungspause erklärt, es seien genügend Fortschritte erzielt worden, um die Gespräche am Mittwoch fortzusetzen. Wichtige Fragen seien aber ungeklärt.

Zu den Knackpunkten gehören die atomare Forschung sowie die Aufhebung von UNO-Sanktionen und ihre Wiedereinführung, sollte der Iran gegen das Abkommen verstoßen. Ohnehin geht es in Lausanne nur um allgemeine Vereinbarungen. Die Details sollen Experten bis zum 30. Juni ausarbeiten.

Sanktionen sollen aufgehoben werden

Lawrow sagte laut Tass, das iranische Atomprogramm könne von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO (IAEA) überwacht werden. Demnach sind sich die Verhandlungspartner auch bei Schritten zur Aufhebung von Sanktionen einig geworden.

Diplomaten zufolge gehört eine Aufhebung von Sanktionen zu den wichtigsten Streitpunkten. So fordert der Iran, dass alle UNO-Strafmaßnahmen gestrichen werden. Außerdem sollen sie nur nach weiteren Verhandlungen erneut verhängt werden dürfen. Dies lehnten Großbritannien, die USA und Frankreich ab, berichteten die Insider.

Ziel der Sechsergruppe ist, dass der Iran den umstrittensten Teil seines Atomprogrammes für mindestens zehn Jahre aussetzt. Ein entscheidende Rolle spielt dabei die Entwicklung von Hochleistungszentrifugen. Diese Geräte können zur Anreicherung von Uran eingesetzt werden - dem Ausgangsstoff für Atombomben.

Die Verhandlungen werden vor allem in Israel mit großer Skepsis verfolgt, weil sich die Regierung vom Iran bedroht sieht. Auch die Republikaner im US-Kongress lehnen das geplante Abkommen ab und haben ihren Widerstand angekündigt.