Nur noch wenige Stunden verbleiben bis zur von der 5+1-Gruppe (fünf UNO-Vetomächte plus Deutschland) und dem Iran selbst gesetzten Deadline (31. März um Mitternacht) im zwölf Jahre andauernden Iran-Atomstreit. Laut den Verhandlern war man einem Deal "noch nie so nahe". Tatsächlich würde eine vorläufige Einigung einen Dominoeffekt auslösen. Es geht darum, dass der Iran dem Westen glaubhafte und überprüfbare Garantien dafür abgibt, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Im Gegenzug will der Westen die für Teheran schmerzhaften Wirtschaftssanktionen schrittweise suspendieren. Hier ein Überblick der zwölf wichtigsten direkten Auswirkungen, die es geben würde, wenn es gelingt, bis morgen ein Rahmen-Abkommen zu erzielen:

1. Hardliner im US-Kongress und im Majles (iranisches Parlament): Ein Deal müsste im eigenen Land, also im Iran und in den USA von den Regierungen "verkauft" werden. Die Hardliner in beiden Ländern stehen einem solchen mehr als skeptisch gegenüber. Eine große Diskussion bis hin zu Drohungen, den Deal zu torpedieren, ist zu erwarten.

2. Israel: Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wird alles unternehmen, um den Deal mit den Hardlinern in Washington und in verbündeten Staaten wie Saudi-Arabien und Frankreich zu konterkarieren.

3. Ölexporte: Der Iran würde wieder direkten Zugang zum Ölmarkt erlangen. Dadurch dürfte sich das Überangebot auf dem Weltmarkt weiter erhöhen. Das Öl- und Gasembargo der EU ist einer der großen Sanktionsbrocken, deren Aufhebung die Achillesferse der iranischen Wirtschaft, den Ölexport, wieder aufatmen lassen würde.

4. Diplomatische Beziehungen: Ein historischer Deal bedeutet auch automatisch eine Verbesserung der Beziehungen des Iran zum Westen. Der westliche Kuschelkurs des als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rohani würde Teheran endgültig aus der diplomatischen Isolation katapultieren.

5. USA: Eine weitere Annäherung an die USA, mit der die Islamische Republik seit 35 Jahren keine diplomatischen Beziehungen pflegt, ist dann greifbar nahe, auch eine Wiedereröffnung der Botschaften ist möglich.

6. Großbritannien: Seit 2011 gab es zwischen Teheran und London Verstimmungen. Die Situation eskalierte, als die Briten als erste die iranische Zentralbank sanktionierten, worauf iranische Basij-Milizen die britische Botschaft in Teheran attackierten. Seit Rohanis Amtsantritt versuchen beide Seiten, die Wogen zu glätten. Hier sollen bereits heuer wieder Vertretungen öffnen und Botschafter entsandt werden.

7. Österreich: Auch für Österreich hätte ein Deal direkte Auswirkungen. Firmen könnten wieder Geschäfte im Iran machen. Bundespräsident Heinz Fischer will mit einer großen Wirtschaftsdelegation als erstes EU-Staatsoberhaupt seit 2005 den Iran besuchen und die bilateralen Beziehungen forcieren. Der Besuch wurde seit 2013 mehrfach verschoben und soll nun nach positivem Abschluss der Atomverhandlungen stattfinden.

8. Iranischer Alltag: Für den Iran würde ein Ende der Sanktionen auch eine Verbesserung des sanktionsgebeutelten Alltags der Perser bedeuten. Die Mehrheit der Bevölkerung, die westlich orientiert ist, wünscht sich zudem echte Markenartikel aus dem Westen statt als minderwertig geltende Billigprodukte aus China. Derzeit fungieren Dubai und die Türkei als Schlupflöcher, um sanktionierte Güter in den Iran zu transportieren.

9. Saudi-Arabien: Ein Deal hätte auch weitreichende Auswirkungen auf die Rivalität zwischen Riad und Teheran. Dieser Matchball würde Teheran zufallen und somit zu einem weiteren Schritt in Richtung Vorherrschaft in der Region verhelfen. Das sunnitische Königshaus in Saudi-Arabien müsste den sich immer weiter ausbreitenden schiitischen Halbmond unter der Federführung des Iran fürchten. Eine Annäherung Teherans an Washington stützt diese Furcht, die dazu geführt hat, dass Saudi-Arabien mittlerweile zum größten Waffenimporteur der Welt aufgestiegen ist und nun auch militärisch gegen die schiitischen Houthi-Rebellen im Jemen eingegriffen hat.

10. Region Naher und Mittlerer Osten: Der Iran hat in Syrien, im Irak, im Libanon, im Jemen und in Bahrain seine Fühler ausgestreckt. Die Schiiten in der Region würden einen deutlichen Auftrieb erhalten. Der Iran könnte dann noch weiter seine Beziehungen zum Oman und zur Türkei ausbauen, was einen weiteren Machtverlust für die sunnitischen Golfmonarchien am Persischen Golf bedeuten würde.

11. Rohani und iranische Innenpolitik: Durch einen Deal würde Rohani weitere Unterstützung von Irans Oberstem Führer, Ayatollah Ali Khamenei, erhalten. Das würde auch die Position der moderaten Kräfte für die Parlaments- und Expertenratswahlen im Jahr 2016 deutlich stärken und wäre ein herber Rückschlag für die Hardliner.

12. Rafsanjani und Khamenei-Nachfolge: Durch einen Deal würde die Nachfolgedebatte rund um Khamenei das Lager des einflussreichen Ex-Präsidenten Akbar Hashemi-Rafsanjani stärken.