Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat am Mittwoch Kritik von US-Präsident Barack Obama an seiner umstrittenen Rede in Washington abgetan.Er habe in seiner Ansprache vor beiden Häusern des US-Kongresses "eine praktikable Alternative vorgeschlagen, die dem iranischen Nuklearprogramm härtere Auflagen machen würde und so die Zeitspanne, in der Iran Atomwaffen entwickeln könnte, um Jahre verlängert", sagte Netanjahu bei seiner Rückkehr nach Israel auf dem Flughafen. Obama hatte dagegen erklärt, die Rede habe "nichts Neues" enthalten und "keine brauchbaren Alternativen" aufgezeigt.

Netanyahus Ansprache vor dem Kongress war unter Umgehung des Weißen Hauses mit den oppositionellen Republikanern eingefädelt worden. Er warf dort der US-Regierung vor, sie habe gegenüber der iranischen Regierung zu stark nachgegeben und sei zusammen mit den anderen Vetomächten im UNO-Sicherheitsrat und Deutschland dabei, ein schlechtes Abkommen abzuschließen, das den Iran nach dessen Ende kurzfristig zu einem Atomstaat mache.

Netanyahu wiederholte nach der Landung in Israel seine Forderung an die Verhandlungspartner Teherans, "die Wirtschaftssanktionen erst aufzuheben, wenn der Iran die weltweite Förderung des Terrorismus, die Aggressionen gegen seine Nachbarländer und seine Aufrufe zur Zerstörung Israels einstellt". Netanjahus Kurzauftritt in Washington fand genau vier Wochen vor dem Zieldatum zum Abschluss eines Rahmenabkommens bei den Iran-Verhandlungen und zwei Wochen vor Parlamentswahlen in Israel statt. Da der Wahlausgang offen ist, muss der seit 2009 amtierende Ministerpräsident seine Abwahl befürchten.

Ein umstrittener Auftritt

Die Kulisse war perfekt: Stürmischer Applaus brandete auf, als Benjamin Netanjahu am Dienstag den Sitzungssaal des Repräsentantenhauses in Washington betrat. Langsam bahnte sich der israelische Ministerpräsident den Weg zum Rednerpult, schüttelte Hände, wechselte kurze Worte. Fast wie US-Präsident Barack Obama, der bei seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation ähnlich umjubelt Einzug hält.

Doch der enthusiastische Empfang für Netanjahu übertünchte die Risse im Verhältnis zwischen den USA und Israel. Leere Sitze im Plenum wurde vor der Ankunft des Ehrengastes eilig mit Platzhaltern besetzt. Rund 50 Abgeordnete von Obamas Demokraten blieben der Rede fern, empört über die von den oppositionellen Republikanern am Weißen Haus vorbei arrangierte Einladung des israelischen Ministerpräsidenten. Auch mit seiner strikten Ablehnung des von der US-Regierung angestrebten Abkommens über das iranische Atomprogramm spaltet Netanjahu das politische Washington.

"Schlechtes" Abkommen

Der Iran stelle eine große Bedrohung für "den Frieden in der ganzen Welt" dar, warnte Netanjahu bei der gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus. Das "schlechte" Abkommen werde Teheran nicht von der Entwicklung von Atomwaffen abhalten, sondern eine iranische Atombombe "beinahe garantieren". Die iranischen Kapazitäten zur Urananreicherung würden "weitgehend intakt" gelassen, binnen kurzer Zeit könnte das Land aus der Vereinbarung ausbrechen. Langfristig bestehe die Gefahr eines "nuklearen Wettrüstens" in der Region.

Netanjahu stellte drei Bedingungen auf, die der Iran vor der Aufhebung der internationalen Sanktionen erfüllen sollte. Zunächst müsse Teheran seine "Aggressionen" gegen die Nachbarstaaten im Nahen Osten stoppen und die Unterstützung für Terroristen rund um die Welt einstellen, sagte er. Schließlich müsse die iranische Führung aufhören, "meinem Land mit der Auslöschung zu drohen, Israel, dem einzigen jüdischen Staat".

Kerry und Zarif

Parallel zu Netanjahus Mahnungen setzten US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Kollege Mohammad Javad Zarif im schweizerischen Montreux ihre Atomgespräche fort. Bis Ende März soll eine Grundsatzeinigung zwischen dem Iran und der 5+1-Gruppe aus den fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitgliedern und Deutschland stehen. Details über den möglichen Inhalt eines Abkommens sickern kaum durch. Der US-Seite schwebt aber eine Laufzeit von mindestens zehn Jahren vor, während der Teheran sein Atomprogramm einfrieren und strikte Kontrollen zulassen müsste.

Vor Netanjahus Rede wurde heftig spekuliert, ob der israelische Ministerpräsident vertrauliche Details über das geplante Abkommen öffentlich machen würde. Die US-Regierung hält die Verbündeten in Israel über den Verhandlungsstand auf dem Laufenden. Kerrys Sprecherin Marie Harf warnte die israelische Regierung davor, das Vertrauen der USA zu "missbrauchen". Am Ende verzichtete Netanyahu darauf, seine Kritik an dem geplanten Atomdeal mit Insiderinformationen zu untermauern.

Der israelische Ministerpräsident ist auch so schon eine Reizfigur in Washington. Das persönliche Verhältnis zu Obama gilt seit Jahren als zerrüttet, neben dem iranischen Atomprogramm überwarfen sich die beiden Politiker auch beim Friedensprozess im Nahen Osten. Das Weiße Haus machte deutlich, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Wert auf Netanyahus Anwesenheit legt - nicht zuletzt, weil in Israel in zwei Wochen Parlamentswahlen stattfinden.

Kontroverse

Der Ministerpräsident räumte ein, dass sein Besuch für eine "Kontroverse" gesorgt habe. "Ich bedauere zutiefst, dass einige meine Anwesenheit hier als parteipolitisch wahrnehmen", sagte er. "Das war nie meine Absicht." Ausdrücklich dankte er Obama zu Beginn der Rede für dessen Unterstützung für Israel: "Ich schätze alles, was Präsident Obama für uns getan hat."

Doch die Signale der Verstimmung aus dem Weißen Haus sind eindeutig. Obama verzichtete demonstrativ auf ein Treffen mit Netanjahu. Um gar nicht erst in Verdacht zu geraten, dass er die Rede am Fernseher verfolgt, nahm der Präsident zeitgleich an einer Videokonferenz mit europäischen Verbündeten zum Ukraine-Konflikt teil.