Xi Jinping verbreitet Angst unter Chinas Mächtigen. Niemand sei vor seiner Anti-Korruptionskampagne sicher, wiederholen die Staatsmedien immer und immer wieder. Jeder Fall eines Parteibonzen, eines sogenannten Tigers, wird im Staatsfernsehen als Erfolg gefeiert. Aber die Widerstände gegen die zweijährige Kampagne wachsen.

Xi Jinping verbreitet Angst unter Chinas Mächtigen. Niemand sei vor seiner Anti-Korruptionskampagne sicher, wiederholen die Staatsmedien immer und immer wieder. Jeder Fall eines Parteibonzen, eines sogenannten Tigers, wird im Staatsfernsehen als Erfolg gefeiert. Aber die Widerstände gegen die zweijährige Kampagne wachsen.

Selbst Chinas oberste Anti-Korruptionsermittler von der Disziplinarkommission sprechen von Gegenwehr. Trotzdem sind sich viele Experten einig, dass Xi Jinping den am Donnerstag beginnenden Volkskongress für einen neuen Aufruf zum Kampf gegen Korruption nutzen will.

Für Xi geht es um das Überleben der Partei. Korruption bezeichnete er als ein Krebsgeschwür, das sich im Land ausgebreitet habe. Deshalb hat er zur Jagd auf Korruption unter den höchsten Parteibossen, den Tigern, und Funktionäre auf mittlerer und unterer Ebene, den Fliegen, geblasen.

Ermittlungen gegen Funktionäre

Xis Antworten sind Strafen und eine straffe Zentralisierung. Alle Macht wird auf ihn ausgerichtet. "Xi braucht einen sauberen und effektiven Apparat zum Regieren", sagt der Wissenschaftler Zhang Ming von der Volksuniversität in Peking der Deutschen Presse-Agentur. Während der kompromisslosen Jagd sind bereits laut Parteiorgan "Volkszeitung" rund 60 Tiger zur Strecke gebracht worden. Alleine im vergangenen Jahr ermittelte die Disziplinarkommission gegen 71.748 Funktionäre, gegen 23.646 von ihnen wurden Strafen verhängt.

Die jährliche Sitzung der rund 3.000 Delegierten beim Volkskongress ist Xis Bühne. Trotzdem wird er kein leichtes Spiel haben. "Der Widerstand aus dem System ist immens, und er wird größer werden je tiefer die Kampagne geht", sagt der kritische Kommentator Zhang Lifan.

In einem seltenen Schritt veröffentlichte die Disziplinarkommission einen Text auf ihrer Internetseite, in dem sie selbst Widerstände gegen die Kampagne thematisiert. Gegner argumentierten, das Vorgehen gehe zu weit, heißt es darin. "Diesen Ansichten müssen wir entschieden entgegentreten", schreiben die Ermittler. Die weitere Jagd dürfe sich nicht nur auf offensichtliche Tiger konzentrieren, sondern auch auf "versteckte Tiger", denn: "Tiger sind sehr intelligent." Sie hielten sich im Verborgenen. Deshalb müsse noch entschiedener gegen sie vorgegangen werden.

Die Kampagne strahlt mittlerweile auch auf die Wirtschaft aus. Unter der neuen Führung wurde ein ehrgeiziges Reformprogramm beschlossen. Schrittweise will sich der Staat aus der Regulierung weiter zurückziehen. Aber viele Unternehmer klagen, dass Entscheidungen über größere Investition verzögert werden. Funktionäre seien von der Korruptionskampagne so verunsichert, dass sie lieber ein Projekt nicht genehmigten, als später in das Visier von Ermittlern zu geraten.

Peking will gegensteuern. Premier Li Keqiang hatte bereits gedroht, dass auch ein Verschleppen von Aufgaben ähnlich wie Korruption geahndet werden könne. Li steht unter großem Druck. Im vergangenen Jahr war die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt so langsam wie seit 24 Jahren nicht mehr gewachsen. Mit 7,4 Prozent Wachstum wurde zum ersten Mal seit 1998 die Vorgabe der Regierung verfehlt, die eigentlich 7,5 Prozent angestrebt hatte.

Deshalb will Li in diesem Jahr vorsorgen. Der Ministerpräsident wird sein Wachstumsziel für dieses Jahr auf nur noch "etwa sieben Prozent" herunterschrauben, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld des Premiers. "Wir sind mit großem Abwärtsdruck konfrontiert", sagte eine Quelle, die mit den Zielen des Premiers für dieses Jahr vertraut ist.

Gleichzeitig wird die Notenbank aktiv. Um zu verhindern, dass sich das Wachstum noch weiter abbremst, drehte die Zentralbank erneut den Geldhahn auf. Zum zweiten Mal in drei Monaten wurde am Wochenende der Leitzins gesenkt. Eines ist damit klar: Die Führung in Peking macht sich große Sorgen um das Wachstum in den kommenden Monaten.