Die russischen Behörden haben im Fall des ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow Medienberichten zufolge mehrere Verdächtige ausgemacht. Allerdings sei das nur eine Möglichkeit, die in Betracht gezogen werde, zitierte heute die Nachrichtenagentur Interfax den Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow.

Präsident Wladimir Putin erklärte indes, dass der Fall auch eine politische Note trage. Solche Morde dürfe es in Russland nicht geben, sagte der Staatschef während eines Treffens mit Vertretern des Innenministeriums. „Solche Morde sind eine Schande für Russland“, so Putin.

Doch im Ausland steht die Staatsführung in der Kritik. „Die Tat spiegelt ein Klima innerhalb Russlands wider, in dem sich die Zivilgesellschaft, kritische Journalisten und Internetnutzer zunehmend bedroht und eingeschränkt fühlen“, sagte US-Präsident Barack Obama in einem Reuters-Interview am Montag. Berater Putins erklärten wiederholt, die Regierung habe mit dem Attentat nichts zu tun.

Beerdigung

Tausende Menschen haben am Dienstag in Moskau dem ermordeten russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow die letzte Ehre erwiesen. Im Andrej-Sacharow-Zentrum für Menschenrechte in der russischen Hauptstadt defilierten die Trauernden am offenen Sarg mit dem Leichnam vorbei.

Gemäß der orthodoxen Tradition blieben Nemzows engste Angehörige am Sarg stehen, während die Trauernden nacheinander niederknieten und Blumen niederlegten. Präsident Wladimir Putin blieb den Trauerfeierlichkeiten ebenso wie Ministerpräsident Dmitri Medwedew fern. Medwedew schickte die Vizeregierungschefs Arkadi Dworkowitsch und Sergej Prichodko. Berater von Präsident Putin bekräftigten, die Regierung habe nichts mit dem Attentat zu tun.

Unter den Trauernden waren zudem der zur Opposition übergelaufene frühere Ministerpräsident Michail Kassjanow, Großbritanniens Ex-Premierminister John Major sowie US-Botschafter John Teft. Mit roten Rosen und Nelken in den Händen kamen am Dienstagvormittag Freunde und Weggefährten zum offenen Sarg des 55-jährigen Oppositionellen. Ein Blumenmeer umgab den Sarg bereits kurz nach der Öffnung des Menschenrechtszentrums. Vor dem Gebäude warteten die Trauernden stundenlang bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und leichtem Schneefall. Die Menschenschlange zog sich Hunderte Meter die Straße entlang. Viele Trauernde waren in Tränen aufgelöst. In der Leichenhalle hingen Fotos des bekanntesten Putin-Gegners an den Wänden. Gedämpfte Musik wurde gespielt. Die Polizei sperrte die Umgebung weiträumig ab.

Begleiterin wieder daheim

"Er war unsere Hoffnung", sagte eine Pensionistin. "Ich fühle mich, als hätte Putin mich an dem Tag erschossen, als er starb." Nemzows Freunde werfen der Regierung vor, Hass gegen Kritiker zu säen. Der Oppositionelle sei ein Opfer dieser Atmosphäre geworden. Der Menschenrechtler Lew Ponomarjow warf staatlichen Medien vor, Gegner des Kremls als Verräter zu stigmatisieren.

Am selben Friedhof wie Politkowskaja

Am Nachmittag wurde Nemzow dann beerdigt. An der Beerdigung auf dem Trojekurowo-Friedhof im Westen der russischen Hauptstadt nahmen rund 600 Menschen teil, wie die Agentur Interfax am Dienstag berichtete. Angehörige und enge Weggefährten legten Kränze nieder. Neben der Familie waren auch Vertraute wie der Oppositionelle Michail Kasjanow anwesend. Auf dem Friedhof ist auch die 2006 ermordete Journalistin Anna Politkowskaja begraben.

Hintergründe weiter unklar

Die Hintergründe der Tat vom Freitag liegen weiter im Dunkeln, auch wenn die Ermittler anhand von Patronenhülsen die Mordwaffe identifizierten. Die Aufnahmen von Überwachungskameras am Tatort in Sichtweite des Kremls würden ausgewertet. Es seien sechs Patronenhülsen sichergestellt worden, die aus einer Makarow-Pistole abgefeuert worden seien. Nemzow wurde viermal in den Rücken geschossen. Der Mord sei minutiös geplant gewesen, erklärten die Ermittler. Für Hinweise auf die Täter wurde eine Belohnung von drei Millionen Rubel (rund 43.000 Euro) ausgelobt.