Die Sorge vor einem radikalen Kurswechsel der neuen griechischen Regierung bei der Haushaltssanierung und gegenüber Russland ruft die EU auf den Plan. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte am Donnerstag vor einem Besuch in Athen, er wolle mit dem linken Regierungschef Alexis Tsipras "sicherlich Tacheles reden".

Die Europäische Zentralbank (EZB) schloss eine Beteiligung an einem Schuldenschnitt aus, den auch die EU-Finanzminister und der IWF ablehnen. Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron sagte: "Griechenland hat Verpflichtungen gegenüber der Euro-Zone und muss diese respektieren." Offen blieb zunächst, ob Tsipras eine mögliche neue EU-Sanktionsrunde gegen Russland blockieren will.

Nach seinem Wahlsieg am Sonntag hatte Tsipras im Eiltempo ein Bündnis mit den rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" geschlossen und damit begonnen, die Sparvereinbarungen mit der Geldgeber-"Troika" über Bord zu werfen: Große Privatisierungen wie des Hafens von Piräus wurden auf Eis gelegt, Tausende Beamte sollen wieder eingestellt, Mindestlohn und Mindestrente wieder angehoben werden. Die Börse in Athen brach daraufhin ein, die Renditen für griechische Staatsanleihen schossen in die Höhe.

Kein Schuldenschnitt

Schulz sagte der "Bild"-Zeitung, Tsipras wisse, dass er einen Kompromiss schließen müsse und nicht alles durchsetzen könne, was er im Wahlkampf versprochen habe. "Ich bin gespannt darauf zu hören, was seine Finanzierungsvorschläge sind." Zugleich machte er klar: "Für einen Schuldenschnitt gibt es in der EU keine Mehrheit." Griechenland wird seit fast fünf Jahren von der Euro-Zone und dem IWF mit insgesamt 240 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 25 Prozent, jeder zweite Jugendliche ist ohne Job.

Finanzpolitisch haben die Geldgeber bisher alle Trümpfe in der Hand. So steht die Auszahlung weitere 7,2 Milliarden Euro aus, weil es noch keine Einigung mit den Troika-Kontrolleuren über die Fortschritte des griechischen Sanierungsprogramms gibt. Außerdem hinkt die Regierung bei den Steuereinnahmen hinterher und muss dieses Jahr über 20 Milliarden Euro an Zinsen und Tilgungen für auslaufende Darlehen bezahlen, etwa an die EZB.

EZB-Direktor Benoit Coeuré sagte der italienischen Zeitung "Corriere della Sera": "Griechenland muss sich weiter an die Spielregeln halten: Wir sind eine Zweckgemeinschaft." Eine Verlängerung der Laufzeiten der Staatsbonds, die von der EZB im Rahmen des 2010 gestarteten SMP-Programms erworben wurden, sei nicht möglich. "Das wäre wie dem Land ein Darlehen zu gewähren, und das verbieten die Verträge", sagte Coeuré. Der IWF, an den Griechenland in diesem Jahr 8,6 Milliarden Euro zurückzahlen muss, hat eine Sonderbehandlung ausgeschlossen. Die Kredite der Euro-Partner und des EFSF werden erst nach 2020 fällig.

Unklar blieb vor den Beratungen der EU-Außenminister, ob Tsipras aus der gemeinsamen EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland ausscheren will. Energieminister Panagiotis Lafazanis sagte nach Angaben der halb-staatlichen Nachrichtenagentur Athens News Agency: "Wir lehnen das Embargo gegen Russland ab." Griechenland habe kein Interesse, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Dagegen trat Finanzminister Yanis Varoufakis in seinem Blog dem Eindruck entgegen, die neue Regierung wolle ein Veto gegen weitere Sanktionen einlegen. Die Regierung habe sich nur über die mangelnde Unterrichtung durch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini beschwert, nicht über die Sanktionen selbst.

Die Außenminister beraten am Nachmittag über neue Strafen. Einem Entwurf zufolge soll die EU-Kommission neue Personen benennen, gegen die Sanktionen verhängt werden könnten. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier wollte sich EU-Diplomaten zufolge vorher mit seinem neuen Kollegen Nikos Kotzias treffen.