Da die "Chefs" die Agenda in sieben Stunden erledigten, verzichtete der neue Gipfelchef Donald Tusk auf den zweiten Gipfeltag. Die EU-Kommission will im Jänner konkrete Vorschläge vorlegen, die dann im Juni abschließend beschlossen werden sollen. EU-Ratspräsident Tusk und Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel betonten nach der Sitzung, man sei sich darüber einig, mit drei gleichzeitigen Maßnahmen das schwache Wirtschaftswachstum in Europa anzukurbeln: durch den Investitionspakt, weitere Strukturreformen und fortgesetzte Haushaltskonsolidierung. Dies gilt als politischer Kompromiss zwischen Ländern wie Deutschland und Frankreich.

Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, forderte am Abend eine schnelle Umsetzung des Investitionspaktes. Juncker hatte seinen Plan im November präsentiert und dabei betont, dass der EFSI vor allem private Investitionen auslösen solle. Über den Fonds sollen Garantien und Ausfallgarantien für private Investoren übernommen werden.

Unklar ist, wie viele Staaten bereit sind, in den Fonds einzuzahlen, der sich auch aus Beiträgen aus dem EU-Haushalt und der Europäischen Investitionsbank (EIB) speist. Juncker hatte argumentiert, dass noch mehr Investitionen angeschoben werden könnten, wenn die Nationalstaaten genug Geld bereitstellen. Frankreichs Präsident Francois Hollande kündigte in Brüssel bereits eine Beteiligung seines Landes an. Die ersten Projekte des neuen EU-Investitionsprogramms sollten jedoch deutlich früher angeschoben werden. "Ich denke, Juni 2015 ist spät. Es sollte eine Vorfinanzierung für Projekte geben", so Hollande.

Deutschland will dagegen zunächst die genauen Vorschläge der EU-Kommission über die Verwendung der Mittel abwarten. Bundeskanzlerin Angela Merkel dringt darauf, dass die Investitionen vor allem in den Bereichen gefördert werden sollen, die als zukunftsträchtig gelten. Dabei gehe es um Zukunftsprojekte im Forschungsbereich, in der Digitalwirtschaft oder in der Infrastruktur. "Wir haben heute deutlich gemacht, dass das Paket unter dem Rahmen der EIB laufen soll", betonte Merkel. "Weil dadurch garantiert ist, dass wirtschaftlich interessante Projekte zum Zuge kommen.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) äußerte vorsichtig optimistisch gegenüber dem Investitionspaket. "Der Teufel liegt im Detail - trotzdem soll man die positiven Dinge nicht vergessen", meinte er. So stehe nun endlich nicht mehr die Austerität im Fokus. "Das Wachstum hat in der Diskussion die Oberhand gewonnen - noch nicht in der Umsetzung." Faymann stellte zudem klar: "Wir wollen in keiner Weise daran beteiligt sein, dass Kernkraftwerke auf diesem Wege finanziert werden."

Die Einzahlung in den Fonds wird auch dadurch attraktiver gemacht, dass die EU-Kommission die Einlagen im EFSI nicht bei der Berechnung nationaler Haushaltsdefizite berücksichtigen muss. In der Schlusserklärung des Gipfels heißt es, dass die EU-Kommission dabei aber im Rahmen der bestehenden Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts agieren muss. Vor allem Deutschland hatte auf diesem Zusatz bestanden, damit die Regeln nicht weiter ausgelegt werden. Denn etwa Italien wünscht, dass Investitionen generell aus dem Defizit herausgerechnet werden - also auch direkte staatliche Ausgaben für einzelne Projekte. Das ist nun nicht möglich.

Trotz der dramatischen Wirtschaftskrise in Russland hält die EU an den Sanktionen gegen Moskau fest. "Die Sanktionen sind aus bestimmten Gründen verhängt worden, und sie können nur durch den Wegfall dieser Gründe aufgehoben werden", resümierte Merkel.

Der Gipfel zeigte sich besorgt über die dramatische Wirtschaftskrise in Russland und den Rubel-Verfall. "Russland ist unserer strategisches Problem", sagte Tusk, der früher Premier in Polen war. Die Wirtschaftskrise in Russland sei keine Angelegenheit von "zwei Tagen oder zwei Wochen", warnte er. "Wir müssen als Europäer unser Selbstvertrauen wiederfinden und uns unserer eigenen Stärken bewusst werden."

Der Gipfel stellte der pleitebedrohten Ukraine in allgemeiner Form weitere finanzielle Hilfe in Aussicht. Es sei nicht über konkrete Details gesprochen worden sei, sagte Merkel. "Wir wollen der Ukraine helfen, allerdings ist die Voraussetzung, dass die Ukraine wirklich wirtschaftliche Reformen durchführt und die Korruption massiv und energisch bekämpft", so Merkel.

Der Gipfel forderte zudem, die Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA im Laufe des kommenden Jahres abzuschließen. "Die EU und die Vereinigten Staaten sollten alles daran setzen, um die Verhandlungen über ein ehrgeiziges, umfassendes und für beide Seiten vorteilhaftes TTIP-Abkommen bis Ende 2015 zum Abschluss zu bringen", heißt es in der Abschlusserklärung. Die Verhandlungen sind umstritten, da Kritiker das Aufweichen von europäischen Umwelt- und Verbraucherstandards befürchten.