Um die EU-Kommission abzuberufen hätte es mindestens 376 Stimmen bedurft. Der Antrag wurde von 76 Mitgliedern der rechtspopulistischen EFDD-Fraktion unter UKIP-Führung und der Gruppe der fraktionslosen Abgeordneten eingereicht. Ihm hatten sich auch die Front National von Marine Le Pen und die FPÖ angeschlossen.

In dem Antrag wurde bedauert, dass den EU-Staaten durch aggressive Steuerplanung in Luxemburg "Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entgangen sind". Dadurch, dass Juncker zum Zeitpunkt der Vereinbarungen Premierminister war, sei er "direkt für diese Politik der Steuerumgehung verantwortlich" zu machen. Es sei inakzeptabel, "dass eine Person, die für diese aggressive Politik der Steuerumgehung verantwortlich war, das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission bekleiden soll". Es gebe kein Vertrauen in Juncker als EU-Kommissionspräsident.

Der freiheitliche Delegationsleiter Harald Vilimsky begründete die FPÖ-Position "nicht nur mit dem Umstand, dass Juncker in Luxemburg auf Kosten anderer Mitgliedsstaaten ein Steuerparadies für Multis und Konzerne geschaffen habe, sondern auch damit, dass Juncker jene Person sei, welche die Zentralisierung Europas und die Bevorzugung des Großkapitals vorantreibe." Etliche von Juncker ausgesuchte Kommissare hätten zudem zweifelhafte Verwebungen mit Industrie und Kapital, sagte er.

"Das ist kein Freibrief für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, sondern vielmehr ein klarer Arbeitsauftrag des EU-Parlaments an ihn", sagte die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner. Juncker müsse Nägel mit Köpfen beim Thema Steuerbetrug machen und rasch die Tricksereien der Konzerne auf Kosten der europäischen Bürger beenden. Der Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion, Jörg Leichtfried, merkte an: "Es geht Le Pen, UKIP, FPÖ & Co. in Wahrheit nicht um das Wohl Europas, sondern darum, die Institutionen zu schwächen."

Der konservative Fraktionschef von Junckers Europäischer Volkspartei, Manfred Weber, sagte: "Der Versuch der Europhoben im Europäischen Parlament, die EU-Institutionen zu destabilisieren, ist misslungen." Der Misstrauensantrag sei nicht nur gegen die EU-Kommission, sondern gegen die Europäische Union als ganzes gerichtet gewesen.

Der grüne EU-Parlamentarier Michel Reimon forderte die SPÖ auf, einen Untersuchungsausschuss zur "Lux Leaks"-Affäre zu unterstützen. "Dass die ÖVP die Schutzpatronin der Konzerne gibt, verwundert mich nicht - dass aber die SPÖ-Abgeordneten im Europaparlament einen Untersuchungsausschuss ablehnen und für einen viel schwächeren Initiativ-Bericht sind, ist enttäuschend", sagte Reimon. Ein Untersuchungsausschuss war in der Vorwoche mit den Stimmen der Christ- und Sozialdemokraten und Liberalen abgelehnt worden.

Auch die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) unterstützte den Misstrauensantrag. Es hätte "nie einen Kommissionspräsidenten Juncker gegeben, wenn die Wähler rechtzeitig erfahren hätten, wie Juncker auch Deutschland um Steuereinnahmen geprellt hat", erklärte die Partei. "Die jetzt veröffentlichten 548 speziellen Steuervereinbarungen zwischen seinen Behörden und internationalen Konzernen wurden zwischen 2002 und 2010 genehmigt, als Juncker Finanzminister und Regierungschef von Luxemburg sowie Chef der Eurogruppe war."

Der Direktor des Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ), Gerard Ryle, wies indes Spekulationen zurück, wonach die "Lux Leaks"-Enthüllungen eine gezielte Kampagne gegen Luxemburg oder Juncker war. "Das ist absoluter Unsinn", sagte Ryle dem "Luxemburger Wort" vom Donnerstag. "Das Timing war purer Zufall", versicherte er.