Wegen der Arbeitsmarktreform der Regierung liegen in Rom die Nerven blank. Renzi wies am Wochenende den Vorwurf der Gewerkschaften zurück, dass er mit seiner Arbeitsmarktreform den Unternehmen mehr Kündigungsfreiheit gewähren wolle und somit wesentliche sozialdemokratische Errungenschaften abbaue, was den Prinzipien seiner Demokratischen Partei (PD) widerspreche. Die Arbeitsmarktreform sei eine wesentliche Reform, um Beschäftigung in dem von einer schweren Rezession geplagten Italien zu schaffen, erwiderte Renzi seinen Kritikern.

Die Beziehungen Renzi, der als PD-Vorsitzender die stärkste Einzelpartei Italiens führt, und den Gewerkschaften sind gespannt wie noch nie. Für Eklat sorgte am Freitag der Chef der Metallgewerkschaft FIOM, Maurizio Landini, der meinte, dass die Regierung nicht die Unterstützung der "ehrlichen Leute, der Arbeitnehmer und der Arbeitssuchenden" genieße. Renzi stehe im Dienst einflussreicher Lobbys.

"Allein wird Renzi das Land nicht ändern können", warnte Landini bei einer Demonstration in Neapel. Er reagierte auf die Worte Renzis, der ausländische Unternehmer zu Investitionen in Italien aufgerufen hatte, da jetzt der italienische Arbeitsmarkt flexibler sei. "Man schafft Jobs, indem man Fabriken und Unternehmen offen hält, nicht indem man streikt", sagte Renzi in Anspielung auf den Generalstreik gegen seine Regierung, die die Gewerkschaftsverbände CGIL und UIL für den 12. Dezember ausgerufen haben.

Landinis Kritik an der Regierung löste hitzige Reaktionen aus. "Der FIOM-Chef meint, dass die Regierung nicht die Unterstützung der ehrlichen Italiener genießt. Damit beleidigt er Millionen von Arbeitnehmern, die Vertrauen in Renzis PD haben. Es tut uns leid, dass dies ausgerechnet ein Gewerkschaftschef behauptet", betonte PD-Präsident Matteo Orfini. Prompt kam auch die Reaktion des Industriellenverbands Confindustria Giorgio Squinzi. "Ich unterstütze die Regierung und halte mich für eine durchaus ehrliche Person", meinte Squinzi.

Die Spirale aus Rezession, Deflation und Konsumkrise nagt an der Popularität Renzis, der laut jüngsten Umfragen allein im letzten Monat einen Popularitätsverlust von zehn Prozent hinnehmen musste. Mit einem derzeitigen Beliebtheitsgrad von 52 Prozent bleibt der seit neun Monaten amtierende Regierungschef jedoch bei weitem der populärste Spitzenpolitiker Italiens.

Auf dieses Reservoir an Vertrauen, das Renzi noch genießt, muss der dynamische Toskaner zurückgreifen, um die Klippen der nächsten, entscheidenden Wochen zu umschiffen. Bis Ende dieses Jahres muss Renzi nur das Stabilitätsgesetz und die Finanzplanung für das kommende Jahr unter Dach und Fach zu bringen. Eine ganze Reihe von Maßnahmenpaketen und Reformen müssen vom Parlament erst genehmigt werden. Mindestens fünf Vertrauensvoten wird sich Renzi bis Jahresende unterziehen müssen, um Arbeitsmarktreform und Stabilitätsgesetz durchzusetzen.