Mehrfach hat die US-Regierung mit erhobenem Zeigefinger die Europäer gemahnt, in der Eurokrise nicht zögerlich vorzugehen, sondern Reformen zu vollziehen, die der Wirtschaft Stabilität bringen. Nun hat die politische Elite in den USA selbst bewiesen, dass - leider - auch in der größten Volkswirtschaft der Welt in der Krise das Dahinwurschteln ultima ratio bleibt. Demokraten und Republikaner haben sich in der Nacht auf Donnerstag in ihrem erbitterten ideologisch begründeten Streit ums Budget zwar doch noch geeinigt und den Sturz über die sogenannte Fiskalklippe, der eine Rezession mit Folgen für die Weltwirtschaft auslösen könnte, abgefedert. Die jüngste Einigung gilt als Sieg für Präsident Barack Obama, da die Republikaner insbesondere bei der Besteuerung von reichen US-Amerikanern Zugeständnisse machen mussten. Die Börsen reagierten mit Erleichterung - und werden dennoch bald wieder äußerst nervös werden. Die beschlossene Lösung ist ein Kompromiss auf Zeit: Viele der umstrittenen Sparmaßnahmen mit einem Volumen von mehr als einer Billion Dollar werden einfach nur um zwei Monate verschoben.

Das bedeutet, dass sich Ende Februar der nun kurzfristig beigelegte erbitterte Streit zwischen Demokraten und Republikanern neu entfachen wird und er voraussichtlich noch weiter eskaliert: Republikaner wie Senator John McCain haben bereits klargemacht, dass sie die Erhöhung des Schuldenlimits als Gelegenheit nutzen möchten, ihre Sparvorstellungen durchzudrücken. McCain sprach sogar von einem bevorstehenden Showdown, der noch heftiger sein werde als der derzeitige Haushaltsstreit.

Verschärft wird die Lage zusätzlich noch dadurch, dass zum Streit um die Fiskalklippe auch noch der Streit um die Schuldenobergrenze kommt. Wie US-Finanzminister Timothy Geithner bekannt gab, haben die USA zum Jahresende ihre Schuldenobergrenze von 16,4 Billionen Dollar erreicht. Dabei steht nicht weniger als die Zahlungsfähigkeit der Supermacht auf dem Spiel. Damit die USA zumindest noch zwei Monate lang liquide bleiben, versucht sich Geithner nun nach eigener Aussage mit Haushaltsumschichtungen Spielraum zu verschaffen - man fühlt sich fast schon an Griechenland erinnert. Dies bedeutet in jedem Fall, dass der Kongress die Schuldengrenze spätestens Ende Februar oder Anfang März erhöhen muss - genau dann, wenn auch das erst einmal vertagte umfassende Sparprogramm zum Defizitabbau, um das es bei der "Fiskalklippe" ging, neu festgezurrt werden soll.