Er ist trotz Globalisierung nach wie vor das Symbol für Vietnam: Der traditionelle "Non La", der geflochtene Kegelhut, kommt gleich nach der Ankunft am Flughafen von Hanoi in den Blick. Der Airport liegt rund 30 Kilometer außerhalb der Stadt, sodass auf der Fahrt in die Hauptstadt ein paar gut bewässerte Felder samt arbeitenden Rindern auffallen. Der Bauer mit dem Strohhut fehlt auch nicht. In Hanoi wird er ebenfalls noch getragen, wobei der darunter steckenden Kopf dann oft hinter einer Gesichtsmaske verschwindet. Wohl des Smogs wegen. Bundespräsident Heinz Fischer besuchte ab Montag also ein Land der Gegensätze.

Der "Non La" ist perfekt geometrisch, in Form eines rechtwinkligen Dreiecks. Damit er nicht vom Kopf rutscht, gibt es dünne Kinnriemen. Die Hüte werden aus Palmenblättern samt Bambusrahmen hergestellt, sind licht- und wasserundurchlässig, schützen somit gleichermaßen vor Sonne und Regen. Er ist außerdem universell einsetzbar: Der Tschako aus dem hellen Flechtwerk wird auch gerne zum Transport- oder Trinkgefäß umfunktioniert oder bei strenger Hitze in Wasser getaucht. Wenn dieses dann verdampft, entsteht eine kühlende Wirkung.

Der Hut allein ist also noch immer eine Art Beweis dafür, dass Vietnam traditionell aber auch aktuell ein Agrarland ist. Am Land hat das Leben auch seine Vorteile, weiß eine junge Vietnamesin, die an der österreichischen Botschaft in Hanoi arbeitet. Die Häuser sind zwar meist äußerst bescheiden, wenn nicht gar ärmlich, dafür müssen die Bewohner dafür meist keine Miete zahlen.

In der Stadt hingegen schon. Und Hanoi wächst und wächst. Nach offiziellen Angaben wohnen 3,5 Millionen Menschen in der Hauptstadt, möglicherweise sind es aber sogar doppelt so viele. Eine Eigentumswohnung mit rund 70 Quadratmeter kostet hier schon um die 100.000 US-Dollar (79.580 Euro), erzählen Einheimische. Ein hoher Preis in einem Land, das stolz darauf ist, mit einem Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 1.000 US-Dollar in den erlauchten Kreis der Länder mit "mittleren Einkommen" aufgestiegen zu sein.

Da Vietnam im Begriff ist, China zunehmend als Billiglohn und -produktionsland (nach demografischen Möglichkeiten) zu ersetzen, liegt der Verdacht nahe, dass zwischen den Lohn- bzw. Einkommenniveaus von Stadt und Land eine Riesenkluft klaffen muss. Zumal auch die Landwirtschaft mit ihren Problemen zu kämpfen hat. "Es ist seltsam", sagt die junge Vietnamesin, "wir sind zwar ein Agrarland, aber trotzdem sind Lebensmittel sehr teuer, auch Fleisch und Milch. Letztere wird teils sogar aus China, Australien oder den USA importiert.

Zukunft in den Städten

Viele - vor allem junge - Menschen suchen daher ihre Zukunft in den Städten. Ganze Armeen an eifrigen Bürgern scheinen auf Mopeds und Kleinmotorrädern unterwegs zu sein. Werden sie am Weiterkommen gehindert - etwa, weil die Polizei wegen eines Staatsbesuches die Straßen sperrt -, dann wachsen in den Seitengassen durchaus imposante Phalanxen an, die erahnen lassen, welches Potenzial in dem 90-Millionen-Einwohner-Staat Vietnam steckt.

Viele von ihnen sind wohl Kleinunternehmer, schließlich müssen ja die vielen kleinen Läden, die an den Straßenrändern in Reih und Glied mit Textilien, Elektronik, Spielzeug oder einfach nur Ramsch so ziemlich alles anbieten, was das vietnamesische Herz zu begehren scheint, auch jemandem gehören. Je näher dann das (historische) Zentrum mit den internationalen Hotels rückt, desto mehr wird deutlich, dass auch westliche Nobelmarken in diesem System des Sozialismus mit kapitalistischem Antlitz keinen Widerspruch darstellen.

Steter Aufschwung durch den freien Markt

Die Kommunistische Partei, mit deren Granden (Präsident Truong Tan Sang, Premierminister Nguyen Tan Dung und Generalsekretär Nguyen Phu Trong) für Fischer am Dienstagnachmittag Gespräche vereinbart waren, lässt an ihrem Machtmonopol keine Zweifel. Wer dagegen ist, muss mit Repressionen rechnen. Wer sich aber nicht auflehnt, kann am seit 1986 so gut wie freien Markt sein Glück versuchen. Seit der "Doi Moi" genannten "Erneuerung" geht es mit dem Land wirtschaftlich auch trotz Problemen wie einer hohen Inflation stets bergauf.

Allerdings können andere gesellschaftliche Sektoren nicht mithalten. Zwar gibt es eine staatliche Krankenversicherung. Deren Leistungen sind aber bescheiden, hört man. Wer wirklich krank ist, geht lieber privat zum Arzt. Gegen entsprechendes Geld. Auch die Spitäler sind teils überfordert. Mitunter werden Betten aus Platzmangel angeblich sogar mehrfach vergeben, sie sind dann gewissermaßen turnusartig belegt.

Auf dem Gebiet des Gesundheitswesen gibt es also noch viel zu tun. Nicht zuletzt deshalb waren auch der österreichische Fachminister Alois Stöger und die Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely (beide S), an Bord der Maschine von Wien nach Hanoi. Und auch die Wirtschaftskammer frohlockt, dass für Österreich "besondere" Geschäftschancen in den Bereichen "Infrastruktur, Energie und Medizintechnik" vorhanden sind.