Franz Fiedler, der Plan, nach dem Finanzbeamte auch ohne Einleitung eines Finanzstrafverfahrens in Konten einschauen können, sorgt seit Tagen für Kritik und Zustimmung. Sie sehen die Gefahr, dass es zu einem schnellen Zugreifen auf Konten im Zuge von Steuerprüfungen kommen könnte. Warum?

FRANZ FIEDLER: Ich bin natürlich für Aufklärung und Transparenz. Da muss aber bitte der Grundrechtsschutz des Bürgers gewahrt bleiben. Wir haben derzeit in Österreich eine sehr gute Regelung, dass in einem solchen Fall jedenfalls ein Strafverfahren eingeleitet werden muss und dass dieses zumindest auch unter der nachstehenden Kontrolle eines Gerichtes stehen muss.

Im vorliegenden Gesetzesentwurf, nach dem das Finanzstrafverfahren, das bislang Voraussetzung für Kontoöffnungen war, übersprungen wird, sehen Sie eine Verletzung des Grundrechtsschutzes?

FIEDLER: Das sehe ich und namhafte Juristen sehen das ebenso. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre in einem Ausmaß, das nicht mehr tolerabel erscheint. Dass allein ein Finanzbeamter entscheidet, ob ein Konto geöffnet wird und überhaupt niemand eine Rechtsschutzkontrolle ausübt, muss ich ablehnen.

Der Finanzminister argumentiert, dass die Konten ohnehin nur geöffnet werden, wenn es bei Steuererklärungen Widersprüche gibt und diese nicht aufgeklärt werden können.

FIEDLER: Ich war selbst Staatsanwalt in Finanzstrafverfahren und ich weiß, mit welcher Großzügigkeit die Finanz oft vorgeht, wenn sie meint, jemandem etwas umhängen zu können. Es werden hier die ureigensten Interessen des Staats vertreten. Es besteht von vornherein keine Chancengleichheit und keine Ausgewogenheit, die es vor Gericht gibt. Der Richter ist nicht interessiert daran, jemandem eine Strafe umzuhängen, der Finanzbeamte ist aber sehr wohl daran interessiert, möglichst viel einzutreiben und damit auch die Mittel, die ihm in die Hand gegeben werden, exzessiv auszunützen.

Im Sinne des Staates und der Steuerzahler ist das doch zu begrüßen, oder?

FIEDLER: Ja, aber allein die Gefahr des Missbrauchs der Mittel schreit danach, dass hier eine neutrale Stelle für die Überwachung zuständig sein muss.

Was würden Sie vorschlagen?

FIEDLER: Dass zumindest ein Rechtsschutzbeauftragter das letzte Wort hat, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, der Staat würde im eigenen Interesse den Grundrechtsschutz verletzen. Es soll jeder wissen: Wenn es darauf ankommt, gibt es jemanden, der eine neutrale Position einnimmt. Und der die Rechte beider Seiten, jene des Staates auf Steuerhoheit als auch jene des einzelnen auf Schutz der Privatsphäre, wahrt. Es soll nicht alles in einem solchen Verfahren in die Hand einer Partei gelegt werden. Es muss eine gewisse Chancengleichheit gegeben sein.

Sie plädieren dafür, dass weiter wie bisher die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens Voraussetzung für Kontoöffnungen bleibt?

FIEDLER: Auf jeden Fall. Es bedarf derzeit eines bestimmten Verdachtes, um überhaupt ein Finanzstrafverfahren einleiten zu können. Das sollte bleiben und es sollen nicht Konten geöffnet werden, weil ein Finanzbeamter angebliche oder scheinbare Widersprüche sieht, die er nicht lösen kann. Und die vielleicht aber ein anderer gelöst hätte oder es diese Widersprüche auch gar nicht gibt. Oft wird hier auch sehr formalistisch vorgegangen. Es darf nicht ein Freiraum geschaffen werden, mit dem der Rechtsstaat ausgehöhlt wird.

Es wird künftig auch eine zentrale Erfassung aller Konten geben, um ein rascheres Vorgehen der Finanzbeamten zu ermöglichen. Wie beurteilen Sie dieses Kontoregister?

FIEDLER: Ich bin ein absoluter Befürworter einer zentralen Erfassung sämtlicher Sparbücher und Konten, die es in Österreich gibt, um damit einen rascheren Zugriff auf Konten zu erreichen. Wenn die Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Konto öffnen will, muss sie zuerst Erkundungen einziehen, ob es überhaupt ein Konto gibt und wenn ja wo. Das ist ein unerhört komplizierter Prozess. Ein zentrales Kontoregister wäre ein echter Fortschritt. Wenn es aber darum geht, das Konto zu öffnen, dann bitte nur unter Wahrung des Grundrechtsschutzes und das wäre naheliegenderweise eine richterliche Kontrolle.

Würde eine richterliche Bewilligung aber nicht sogar eine Verschärfung der jetzigen Voraussetzungen für eine Kontoöffnung bedeuten?

FIEDLER: Das ist richtig. Mit der zentralen Erfassung aller Konten ist aber natürlich auch die Versuchung viel größer, da zuzugreifen. Das geht jetzt sehr einfach. Ich bin dafür, dass in Finanzstrafverfahren rasch agiert werden kann, aber es dürfen dabei nicht Grundrechte über Bord geworfen werden. Nach der Intention des vorliegenden Entwurfs wäre das der Fall. Es muss nicht einmal mehr ein so starker Verdacht vorliegen, dass ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wird. Das ist nicht tolerabel.

INTERVIEW:
CARINA KERSCHBAUMER