Jetzt liegt auch das ÖVP-Konzept vor. Ihre erste Reaktion?
WERNER DORALT: Das ist alles Kaffeesudlesen.

Wie meinen Sie das?
DORALT: Das Konzept beruht auf Schätzungen. Da fehlt der feste Untergrund. Bei der SPÖ liegen in Sachen Erbschafts- und Vermögenssteuer handfeste Zahlen vor, die man nachvollziehen kann, wenngleich ich inhaltlich nicht einverstanden bin.

Warum sind Sie dagegen? Aus ideologischen Gründen?
DORALT: Nein, die SPÖ übersteigt die Grenze des Zumutbaren. Man muss solche Modelle an Extrembeispielen ausrechnen. Wenn jemand 100 Millionen Euro hat, reduziert sich sein Vermögen innerhalb einer Generation um über 50 Prozent. Ich bin davon nicht betroffen, ich finde es zu hoch. Das ist eine Konzession an die Sozialistische Jugend. Es ist unseriös, einen Plan vorzulegen, wo man weiß, dass er völlig unrealistisch ist. Selbst wenn die SPÖ in der Alleinregierung wäre, würde sie den Plan nicht durchziehen.

Ihr Modell bezieht sich auf die Superreichen. Was ist bei weniger Vermögenden?
DORALT: Nehmen Sie die Immobilen, die in den letzten Jahren enorm gestiegen sind – nicht, weil die Ertragskraft hinaufgegangen ist, sondern wegen der Nachfrage. Diesen Wertsteigerungen stehen keine Ertragssteigerungen gegenüber. Der Ertragsteil liegt bei drei bis vier Prozent. Wenn ich zwei Prozent Vermögens- und Mehrwertsteueräquivalent rechne, bleibt kein Ertrag mehr übrig. Eine Steuer darf ein zumutbares Maß nicht überschreiten.

Wenn jemand zwei Zinshäuser erbt, muss er eines verkaufen?
DORALT: Es war immer der Leitsatz, dass im engsten Familienbereich eine Steuer nicht konfiskatorisch wirken darf, also dass man nicht einen Teil des Vermögens verkaufen muss, um die Steuer zu bezahlen. Dieses Prinzip wird verletzt.

Sind Sie an sich für die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer?
DORALT: Sie lässt sich gut vertreten, nur frage ich mich, was mit der Grundsteuer ist. SPÖ und ÖVP lassen diese dahinsiechen. Die gesamte Fachwelt sagt, dass sie reformiert werden muss.

SPÖ und ÖVP wollen bei den Steuerausnahmen 900 Millionen streichen. Ist nicht mehr drinnen?
DORALT: Da fällt mir vieles ein. Wir haben etwa sehr hohe Abschreibungen bei Pkws. Pkws schreiben wir in acht Jahren ab, nur gibt es kaum Pkws, die vor 15 Jahren abgewrackt werden. Die Anhebung der Nutzungsdauer auf zehn Jahre würde angesichts der Menge der Firmenfahrzeuge das Budget stark entlasten. Es gibt noch andere Bereiche. Man hat jetzt generell die Beamtenpensionen angehoben. Das verstehe ich nicht, obwohl ich als emeritierter Professor davon betroffen bin. Ich verstehe nicht, warum man hohe Beamtenpensionen nicht einfriert. Jemand, der 10.000 Euro als Pension bekommt, braucht keine Inflationsanpassung. Das ist zumutbar.

Um die Steuerreform zu finanzieren, sagt die Regierung dem Steuerbetrug den Kampf an.
DORALT: Da frage ich mich, was man bisher gemacht hat. Wenn so viel Geld drinnen ist, ist es ein schweres Versäumnis der Politik. Wie kann ich das von einer Steuerreform abhängig machen?

Es gibt eine Diskussion um die Mehrwertsteuer, wo OECD und EU meinen, sie sollte erhöht werden. Ist das sinnvoll?
DORALT: Den Aufschrei der Kulturschaffenden habe ich wohlwollend unterstützt. Nur kommt ehrlicherweise die niedrige Mehrwertsteuer bei der Kultur Besserverdienern zugute, denn die armen Leute gehen nicht in die Oper. Wenn die frei werdenden Mittel direkt in Schulen und Kindergärten fließen, ist das Geld sicher besser aufgehoben.

Dass die SPÖ auf eine Steuerreform drängt, ist in Ordnung?
DORALT: Absolut, im untersten Bereich gehört dringend was gemacht. Das fließt auch direkt in den Konsum. Weil Sie die SPÖ ansprechen: Mir ist ein völliges Rätsel, wie eine staatstragende Partei wie die SPÖ fordern kann, dass Vermögenssteuern rückwirkend eingehoben werden. Als Jurist kann ich sagen: Ein Blinder weiß, das ist Unsinn, denn es ist klar verfassungswidrig. Da frage ich mich, was muss ich mir von Politikern womöglich noch alles anhören, wo mir die Fachkompetenz fehlt. Das sind Wortmeldungen, die die Glaubwürdigkeit der Politik massiv untergraben.
INTERVIEW: M. JUNGWIRTH