Wie entstand die Ideezu Movember?
CHRISTIAN SEIDL: Wie viele gute Ideen ist Movember 2003 am Wirtshaustisch entstanden. Vier Australier sinnierten, warum alles wieder in Mode kommt, nur
der Schnurrbart nicht, und beschlossen, sich einen wachsen zu lassen. Dann begaben sie sich auf die Suche nach einem Grund und stellten fest, dass es für Männergesundheit kaum Initiativen gibt. Damit war Movember geboren.

Warum wurde gerade der November
zu dem Monat, in dem aufProstata- und Hodenkrebs aufmerksamgemacht wird?
SEIDL: Das hat mit der Entstehungsgeschichte
zu tun und dem passenden Wortspiel aus „Mo“ für
„moustache“ (englisch für Schnurrbart) und November.

Warum wurde der Schnauzbart zum Symbol des Movember?
SEIDL: Weil er auffällt. Prostata und Hodenkrebs sind keine Themen, über die man(n) gerne spricht. Die Veränderung im Gesicht beziehungsweise derMoustache
ist so auffällig, dass man ständig auf ihn angesprochen
wird. Damit ist man sofort im Thema. Die Mo Bros sind wandelnde Werbetafeln. Wir tragen quasi den Ribbon einen Monat lang im Gesicht. Es wird zur Konversation
angeregt und dadurch mehr Bewusstsein geschaffen. In
Österreich gibt es laut einer Umfrage von Marketagent
11,6 Prozent ganzjährige Schnurrbartträger. Potenzial für Movember scheint also vorhanden zu sein.

Muss man heute hip sein, umGutes zu tun? Man denke an dieIcebucket Challenge im Sommer.
SEIDL: Nein, muss man nicht. Movember gab es schon vor der Icebucket Challenge oder dem Hipster-Moustache und die sozialen Medien waren auch nicht von Anfang an da. Natürlich helfen sie aber enorm, denn jedes #Movember-
Selfie hilft, das Bewusstsein für Männergesundheit zu
steigern. Movember hat es ge-Beschafft, einen unkonventionellen Zugang zu finden und einem „todernsten“ Thema mitAugenzwinkern zu begegnen.
Nachhaltigkeit und Transparenz sind gewährleistet. Geld erhalten nur Institute und Labore, die weltweit zusammenarbeiten und ihre Ergebnisse austauschen. Das
garantiert hohe Effizienz im Einsatz der Spendengelder.

Wirkt der Schnurrbart denn?
SEIDL: Letztes Jahr hat eine Umfrage gezeigt, dass 99 Prozent der Teilnehmer wegen des Schnurrbarts mit jemandem über die eigene Gesundheit gesprochen haben
und 75 Prozent sind sich der Gesundheitsrisiken mehr bewusst geworden.

Wie viele Mo Bros und Mo Sistasgibt es?
SEIDL: Movember ist offiziell in 21 Ländern auf
fünf Kontinenten vertreten. Es gibt rund
vier Millionen Mo Bros und Mo Sistas weltweit.

Die Regeln besagen: keine Vollbärte, keine Spitzbärte, keine falschen Schnurrbärte. Warum so streng?
SEIDL: Um die Authentizität zu bewahren. Movember kommt von Moustache. Vollbärte und Co. zählen nicht dazu. Alle starten am 1. November mit einer Rasur und lassen sich dann 30 Tage lang einen Schnurrbart wachsen. Es soll nicht nur kurz für einen Abend ein Mo aufgeklebt oder aufgemalt werden. Wer mitmacht, soll bewusst einen Monat lang sein Aussehen verändern. Alles andere widerspricht unserer Philosophie: ,Echte Männer lassen sich echte Schnurrbärte wachsen und sprechen über echte Themen.'

Und die Damen?
SEIDL: Mo Sistas dürfen sich natürlich mit Klebe-Mos oder aufgemalten Schnurrbärten behelfen. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil von Movember. Meistens sind sie es, die ihre Männer dazu drängen, etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Wie hält man die Aufmerksamkeit aufrecht?
SEIDL: Wir haben Botschafter. Ashton Kutcher, Ronan Keating, Jenson Button oder Aksel Lund Svindal haben sich schon einen Mo wachsen lassen. Heuer ist Christoph Waltz der prominenteste Botschafter. Auch Herbert Steinböck unterstützt uns, er hatte selbst Prostatakrebs. Und wir haben mit Schauspielerin Barbara Kaudelka erstmals eine Mo Sista als Botschafterin. Auch Abfahrts-Olympiasieger Matthias Mayer hat kürzlich ein Movember-Foto auf Facebook gepostet. So etwas hilft enorm. In der Erste Bank Eishockey Liga etwa leiten die Schiedsrichter im November die Spiele in eigens angefertigten Movember-Trikots.

Sind Männer wirklich solche Vorsorgemuffel?
SEIDL: Leider ja. 42 Prozent der Männer gehen nur im Anlassfall zum Arzt, 15 Prozent haben sich noch nie ernsthafte Gedanken über eine Vorsorgeuntersuchung gemacht, und für 33 Prozent sind (Männer-)Krankheiten ein Tabuthema im Freundeskreis.

INTERVIEW: CARMEN OSTER