Es ist wieder einmal typisch, dass man auf dem Planeten Erde an der irdischen Gesetzgebung scheitert: Da wird Ende Oktober in der Ukraine ein Wookiee auf offener Straße verhaftet und man wundert sich, dass der behaarte Riese die Geldstrafe nicht zahlen kann. Wie auch, wenn seine „intergalaktische Bank“ auf der Erde keine Filiale unterhält? Permanent legt man in der Ukraine übrigens auch der offiziellen Darth-Vader-Partei beständig Prügel in den Weg. In Island ist man da längst weiter, hier rollt man Wookiees und anderen „Star Wars“-Helden in der Hauptstadt Reykjavík den roten Teppich aus. Sogar eine Straße trägt ganz offiziell den Namen Darth Vader.

Star Wars - die Galaxie
Star Wars - die Galaxie © Grafik: Kleine Zeitung



Spätestens jetzt dürfte es auch den Bewohnern der entferntesten Galaxie klar sein: „Star Wars“ ist Teil der popkulturellen DNA. Wir erkennen die Melodien, die Darsteller, mitunter zentrale Sager der Saga („Möge die Macht mit dir sein“), vielleicht sogar, ohne jemals einen Teil der sechsteiligen Serie ganz gesehen zu haben. Was ist das also für ein Sternenstaub, den die Kult-Filmreihe seit ihrem Kino-Leinwanddebüt 1977 auf uns herabregnen lässt? Alchemie war keine im Spiel, die goldene Formel ist relativ einfach, sie heißt: Märchen. Fallen Sie jetzt bitte nicht aus den Wolken, aber jede Folge beginnt mit dieser Einleitung: „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie.“

Der Hunger nach Macht


Wir schreiben das Jahr 1976: In den britischen Elstree Studios dreht „Star Wars“-Erfinder George Lucas die erste Episode der Weltraum-Saga. Eine kleine Gruppe von Rebellen wehrt sich verbissen gegen ein machthungriges Imperium, das die gesamte Galaxie samt ihren multikulturellen Bewohnern in Beschlag nimmt. Es ist der klassische Kampf Gut gegen Böse. Der dunkle Sith-Lord Darth Vader, als Handlanger des Imperators Repräsentant der dunklen Seite, kämpft gegen die gute Seite. Deren Vertreter sind die Jedi-Ritter, Mitglieder eines uralten Ordens. Beide Seiten nutzen die sogenannte Macht, ein alles durchflutendes Energiefeld, für ihre Zwecke: die einen zum Herrschen und Beherrschen, die anderen zur Selbstbeherrschung und Friedenssicherung. Mittendrin der Waisenbub Luke Skywalker, der zum Jedi-Ritter ausgebildet wird. Sein Schicksal wird nicht nur für ihn, sondern auch für seine Rebellen-Freunde zum Parforceritt – nicht zuletzt, als sich herausstellt, dass der Gegenspieler Darth Vader sein Vater ist. 1983 kommt die finale Folge mit Happy End in die Kinos. 16 Jahre später startet Lucas mit der Vorgeschichte: In wiederum drei Folgen wird das Schicksal von Anakin Skywalker beleuchtet, der sich vom guten Jedi-Ritter auf die dunkle Seite der Macht ziehen lässt und zu Darth Vader wird.

In Summe ergibt sich eine Art Familiensaga im Weltraum, eingebettet in unzählige Schauplätze, durchzogen von galaktischen Schaukämpfen, garniert mit Helden und Verlierern. Es ist eine bombastische Welt zwischen Schwarz und Weiß, Gut und Böse, aber mit viel Raum für Zwischentöne: Es gibt Mitläufer, Warnende, jene, die bis zum bitteren Ende an das Gute glauben, Geläuterte, Bekehrte, Unbelehrbare. Es ist ein Kaleidoskop menschlicher Eigenschaften, Wünsche, Hoffnungen und Abgründe. Ein einziges großes Narrativ, das knapp 40 Jahre nach seiner Premiere gleich mehrere Generationen begeistert. Zu Beginn der Saga verfolgte George Lucas eine klare Linie, die offenbar aktueller denn je ist: „Lucas hat ,Star Wars‘ nicht nur als spirituellen Film gesehen, sondern sich auch das Ziel gesetzt, für die Jugend von damals ein einfaches moralisches, spirituelles Konzept zu entwerfen. Eine Geschichte, an der man sich festhalten kann, einen Helden, der für sie vorbildhaft ist“, so der Theologe und Religionspädagoge Christian Feichtinger, der das Phänomen „Star Wars“ im Rahmen seiner Dissertation wissenschaftlich unter die Lupe genommen hat.

Griff in die Mythologiekiste


Lucas hat „Star Wars“ nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip „Ich bastle meine Welt, so wie sie mir gefällt“ kreiert und dabei in etlichen Konzept-Kisten gefischt. So sind etwa die Jedi-Ritter den Samurai nachempfunden, wie Feichtinger erklärt: „Inspiriert wurde Lucas dabei von den japanischen Filmen des Regisseurs Akira Kurosawa. Er wollte ursprünglich sogar Toshir(¯o) Mifune, einen der Hauptschauspieler von Kurosawa, als Obi-Wan Kenobi haben.“ Auch das Thema Naturmystik ist in der Saga besonders zentral: „Lucas greift auf Konzepte aus Buddhismus und Daoismus zurück. Von der Zen-Mystik, also dem Loslassen, bis zum Qi, mit der Form der Naturmacht, der Intuition, der Hingabe an das Natürliche.“ Vor allem die Jedi-Ritter und ihr Umgang mit der Macht ist stark von der in den 70er-Jahren erschienenen Don-Juan-Buchreihe des südamerikanischen Anthropologen Carlos Castaneda geprägt, wie Feichtinger erklärt: „In der fiktiven Erzählung geht es um einen indianisch-mexikanischen Schamanen, der den Autor in die Macht der Natur einführt. Im Buch gibt es den Begriff der Kraft und man findet – zum Teil wortwörtlich – Zitate aus dem Buch im Film wieder. Der Jedi-Meister Yoda ist praktisch der Schamane.“

Christian Feichtinger
Christian Feichtinger © Jürgen Fuchs


Besonders spannend, vor allem aber auch sehr zeitgemäß findet Feichtinger die Technikkritik der Science-Fiction-Saga: „Die naturverbundenen Jedi nutzen zwar Technik, aber es wird immer auch die Frage gestellt: Wird der Mensch von der Technik überwältigt? Wie wir das ja bei Darth Vader sehen, der praktisch unter dieser Maschine begraben wird. Und dann natürlich das Imperium als technischer Apparat, wo für den Menschen kein Platz mehr ist.“ Ob all diese Zugänge auch für den neuen, siebten Teil (Start: 17. Dezember) gelten, ist nicht nur für Feichtinger, sondern auch für alle anderen „Star Wars“-Fans noch völlig unklar. Bislang hat es Disney tatsächlich geschafft, die Handlung bis auf Andeutungen geheim zu halten. In Zeiten von sozialen Medien gleicht das beinahe einem Mirakel. Bekannt ist lediglich, dass „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ unter der Regie von J. J. Abrams („Star Trek“, „Lost“) 30 Jahre nach der letzten Folge spielt. Mit dabei sind die alten Helden Harrison Ford und Carrie Fisher als Han Solo und Leia. Über Mark Hamill alias Luke Skywalker herrscht derzeit noch Rätselraten.


Nur einer ist derzeit alles andere als euphorisiert – George Lucas selbst. 2012 hat er die Markenrechte und die Firma Lucasfilm an Disney abgetreten – für rund vier Milliarden Dollar. Eine Summe, die Disney allein mit dem Umsatz der „Star Wars“-Fanartikel wieder reinspielen dürfte. Lucas geht es dabei nicht um die goldenen Sterntaler, er sieht die Bedeutung der Saga selbst in Gefahr: „Den Leuten ist nicht klar, dass das eine Soap Opera ist, die sich im Kern um Probleme einer Familie dreht – und nicht um Raumschiffe“, zeigte sich Lucas nicht nur über den Bruch mit Disney enttäuscht, sondern auch über die inhaltliche Ausrichtung.


Bleibt den Fans also nur, sich bis zur Premiere in allerbester Jedi-Manier in Geduld zu üben, denn allzu intensives Orakeln ist ungesund, so Meister Yoda: „Vorsicht du walten lassen musst, wenn in die Zukunft du blickst. Die Furcht vor Verlust ein Pfad zur dunklen Seite ist.“