Seit vier Generationen lebt die Familie von Wolfgang Piesch auf Rügen. Der pensionierte Beamte darf sich daher mit Recht „Rüganer“ nennen. Das ist eine Auszeichnung auf der deutschen Ostseeinsel. Zugereiste werden nämlich eigentlich mit bedauerndem Unterton „Rügener“ genannt.
Und die Zugereisten werden immer mehr in diesen Tagen, denn Rügen erfreut sich steigender Beliebtheit und hat sich im Vorjahr zur meistbesuchten Destination deutscher Inlandsurlauber entwickelt.

Aber nicht nur das: Viele Rüganer, die das Eiland nach der Wende aus Mangel an Arbeitsplätzen verlassen haben, kommen jetzt wieder auf „ihre“ Insel zurück. Rund 90.000 Einwohner zählte Rügen nach dem Zweiten Weltkrieg, im Vorjahr lag die Zahl bei 67.000. Wenn der Zustrom anhält, könnte der damalige Stand bald wieder erreicht werden.

Elegant. Rügens typische Bäder-Architektur. Hier das Kurhaus in Binz
Elegant. Rügens typische Bäder-Architektur. Hier das Kurhaus in Binz © (c) pure-life-pictures - Fotolia

Trotz der zahlreichen Touristen und neuen „alten“ Bewohner kommt die Natur der Insel nicht unter die Räder: Eine Vielzahl von Schutzgebieten sorgt dafür, dass die Insel trotz des Booms nicht übermäßig verbaut wird. Das führt allerdings auch dazu, dass Grundstücke in Strandlage für Einheimische unerschwinglich geworden sind. Die müssen sich zum Wohnen ins Landesinnere zurückziehen, an der Wasserlinie sind Quadratmeterpreise von 5000 Euro keine Seltenheit.

Täglich bis zu 600 Gäste besuchen in der Hochsaison die „Fischbude“ von Jürgen Kuse am Ende der Strandpromenade von Binz. Wie sein Großvater vor 120 Jahren fährt der 51-Jährige schon um vier Uhr morgens auf die See hinaus, um frischen Fang an Land zu bringen. Das frühe Aufstehen macht ihm nichts aus, denn: „Der Blick über die Binzer Bucht bis hin nach Sassnitz ist atemberaubend.“

Jürgen Kuse ist Fischer in dritter Generation. Täglich um 4 Uhr morgens fährt er aufs Meer hinaus, um seine Gäste mit frischem Fisch zu versorgen
Jürgen Kuse ist Fischer in dritter Generation. Täglich um 4 Uhr morgens fährt er aufs Meer hinaus, um seine Gäste mit frischem Fisch zu versorgen © (c) Danny Gohlke

Kuse könnte die gemütliche Bretterbude am Strand längst durch ein schickes Lokal ersetzen, doch das urige Ambiente ist längst Kult geworden: „Bei uns kann man dem Zwang des Alltags entfliehen und auch einfach in der Badehose vorbeikommen.“ Gäste, die schon nach der deutschen Wiedervereinigung als Kind mit ihren Eltern Fischer Kuse besucht hatten, bringen inzwischen ihre Kinder mit: „Für viele ist es zum Ritual geworden, als Letztes vor der Abreise noch einmal auf ein Fischbrötchen zu uns zu kommen.“

Piesch und Kuse sind lebende Beweise dafür, dass die Inselbewohner in der baltischen See längst nicht so kühl und abweisend sind wie der Ruf, der ihnen vorauseilt. Als Besucher fühlt man sich durchaus willkommen, sei es in einem der drei berühmten Seebäder Binz, Sellin und Göhren oder in den weitläufigen Naturschutzgebieten wie dem Mönchsgut im Südosten der Insel.

Rügens Küste besteht auch aus Kreidefelsen
Rügens Küste besteht auch aus Kreidefelsen © (c) Steffen Eichner - Fotolia

Aber es ist auch einiges los auf der Deutschen liebster Urlaubsinsel. Bei Ralswiek im Herzen von Rügen füllen Abend für Abend rund 6000 Besucher die Naturarena am Jasmunder Bodden. 120 Darsteller machen die „Ballade von Klaus Störtebeker“ zum einmaligen Erlebnis.

Keineswegs versäumen sollte man einen Besuch am KdF (Kraft durch Freude)-Strand in Prora. Dort hat Hitler ein vier Kilometer langes „Ferienwohnheim“ für 15.000 Urlauber errichten lassen. Es wurde nie vollendet, steht heute aber unter Denkmalschutz. Heute entstehen in den historischen Mauern Ferienappartements, mit denen die Rüganer wegen des zu erwartenden Mehrs an Verkehr keine große Freude haben. Noch mehr Rügener.