Sie war eine der quirligsten Einkaufsachsen im muslimischen Viertel der Jerusalemer Altstadt. Nun wäre die Al-Wad-Straße völlig menschenleer, gäbe es nicht dutzende Soldaten, die den permanenten Ausnahmezustand aufrechterhalten. Die kopfsteingepflasterte Straße, in hebräischen Karten als Hagai verzeichnet, symbolisiert derzeit die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern wie kaum ein anderer Ort.

Die Al-Wad ist zwar nur wenige Meter breit, aber im unergründlichen Wirrwarr der Altstadtgässchen einer der breitesten Wege. Für Muslime ist die Straße die wichtigste Verbindung zwischen dem Damaskustor und der Hochterrasse mit der Al-Aqsa-Moschee (Al-Aksa-Moschee). Juden nutzen sie von Norden aus als direkten Zugang zur Klagemauer am Tempelberg. Auf diesem halben Kilometer drängeln sich arabische Läden und Wohnhäuser, eingestreut sind Talmudschulen und einzelne von israelischen Siedlern bezogene Gebäude.

Rigide Kontrollen

Diese Nachbarschaft war nie spannungsfrei, aber jetzt ist sie explosiv. Männliche Palästinenser müssen israelischen Polizisten zunächst ihren Ausweis übergeben und dann entwürdigende Prozeduren über sich ergehen lassen. Die Hände in die Luft gestreckt, das Hemd bis zu den Achseln hochgezogen, Hosen runter bis auf die Knie, so warten sie das Ende der Überprüfung ab. Nie waren die Kontrollen so rigide und nie die Siedler so sichtbar. Sie haben ihre Bastionen mit Nationalfahnen und Transparenten geschmückt, auf denen "Lang lebe Israel" steht.

Ausgelöst hat all dies die mörderische Attacke eines jungen Palästinensers aus Hebron, der "wegen Al-Aqsa" am 3. Oktober einen ultraorthodoxen Juden und einen zu Hilfe eilenden Rabbiner erstach und damit den Startschuss für rund dreißig ähnliche Anschläge gab. Seitdem wurde die Al-Wad zum Heerlager mit Metalldetektoren und Kontrollposten an jedem Zugang, wobei junge Siedler die Soldaten mit Saft und Kuchen beschenken.

Vom Hotspot zur Geisterstraße?

Die palästinensischen Ladenbesitzer, die schon seit Monaten unter sinkenden Umsätzen leiden, haben eine große Befürchtung: Dass es hier so wird, wie in der Shuhada-Straße von Hebron. Diese "Straße der Märtyrer" nahe dem ebenfalls umstrittenen Grab Abrahams war die wichtigste Einkaufsmeile im historischen Zentrum der größten Stadt des besetzten Westjordanlands. Heute ist sie eine tote Geisterstraße, nachdem die israelische Armee im Jahr 2000 die Geschäfte schloss um eine Pufferzone für wenige hundert radikale Siedlern zu schaffen, die sich hier aus nationalreligiösen Motiven niederließen.

"Aber um das zu erreichen, müssen sie über meine Leiche gehen - und über die Leichen meiner Kinder", stößt Khaled Tuffaha wütend hervor. Er verkauft Kunsthandwerk und einheimische Produkte an Touristen, die sich aber kaum noch herwagen. Als "Widerstandsgeste" halte er seinen Laden von morgens um neun Uhr bis abends um zehn Uhr offen, "selbst wenn ich manchmal rein gar nichts umsetze".

Die Rollgitter bleiben unten

Um ihn herum werden die Rollgitter von 30 Geschäften erst gar nicht hochgezogen. "Gezwungen hat sie dazu niemand", sagt der Konditor Jihad Abu Subeih. "Aber die Altstadt ist abgeriegelt, die Al-Wad belagert, überall nur noch Soldaten und Siedler."

Die Gasse verkörpert heute den Nahost-Konflikt in Miniatur: Inmitten des muslimischen Viertels und einer arabischen Mehrheit leben ideologische Siedler, bewacht von privaten Sicherheitsdiensten. Das "Haus Sharon" hatte der frühere Ministerpräsident gekauft, um zu proklamieren, dass Juden in Jerusalem das Recht haben zu wohnen, wo immer sie wollen.

Hier findet eine Trauerfeier für die Opfer des Messerattentats statt. Auch Elad Margel will ihr Andenken ehren. "Hätten wir Frieden, könnten die Araber mitten unter uns leben", sagt die 32-jährige Tora-Studentin. "Aber es ist Krieg, deshalb müssen sie alle weg aus Jerusalem, dem Gazastreifen sowie Judäa und Samaria", wie das Westjordanland in Israel genannt wird. "Alle ab nach Jordanien", verkündet sie.